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„Lug und Trug“

Die neu gegründete „Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft“ wird wegen zu lascher Standards kritisiert

von ESTHER KOGELBOOM

Nach knapp einem Jahr Vorbereitung hat sich die „Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft“ (FNL) konstituiert. Der Verband mit dem wohlklingenden Namen stieß allerdings schon bei seiner Premiere bei Naturschützern auf teils heftige Kritik. Die „Fördergemeinschaft Integrierter Pflanzenbau“ und die „Aktionsgemeinschaft Deutsches Fleisch“ haben sich auf der letzten Grünen Woche als neuer Verband präsentiert – mit einem „Erlebnisbauernhof“.

Richtungsweisend für die Arbeit des Verbandes sei das Bekenntnis zum Kapitel 14 der in Rio 1992 verabschiedeten Agenda 21 zur Förderung der nachhaltigen Landwirtschaft und der landwirtschaftlichen Entwicklung, so der FNL-Vorstand. Das besagt unter anderem, dass die Produktion auf den bereits bewirtschafteten Flächen gesteigert werden müsse, ohne auf für die landwirtschaftliche Nutzung nur mäßig geeignete Standorte auszuweichen.

Ertragssteigerung ist für die FNL oberstes Gebot: „Wir müssen weltweit möglichst viele Menschen satt bekommen“, erklärt Andrea Jepsen, Sprecherin der FNL. „Das können wir ohne den kontrollierten Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln und Biotechnologie kaum gewährleisten.“ Der neu gegründete Verband habe es sich zur Aufgabe gemacht, „den Begriff der nachhaltigen Entwicklung für die Landwirtschaft mit Fakten und Inhalten zu füllen.“

Florian Schöne, Agrarreferent im Naturschutzbund, zuckt bei dem „dehnbaren Auslegung des Begriffs Nachhaltigkeit durch die FNL“ zusammen: „Die wollen doch nichts anderes als die aktuelle Landwirtschaft schönfärben.“ Der Status quo der bundesdeutschen Landwirtschaft solle dem Verbraucher als umweltverträglich vermittelt werden, so Schöne. „Nachhaltig sind einzig und allein die Mechanismen des ökologischen Landbaus, der komplett auf Pestizide und Mineraldünger verzichtet.“

In einem offenen Brief des Naturschutzbundes ist sogar von „grober Irreführung der Öffentlichkeit“ die Rede. In diesem Zusammenhang kritisieren Naturschützer weiter, dass keine Vertreter des ökologischen Landbaus in der Interessengemeinschaft vertreten seien oder anderweitig zu Wort kämen. Darüber hinaus fordert der Naturschutzbund die Gründungsmitglieder der FNL dazu auf, auf das umstrittene Wörtchen „nachhaltig“ im Namen zu verzichten und sich stattdessen „Fördergemeinschaft Integrierte Landwirtschaft“ zu nennen. Durch eine entsprechende Namensänderung „würden sie den von ihnen verfolgten Zielen viel eher Rechnung tragen und in der Öffentlichkeit vorsätzliche Irreführungen vermeiden“.

Doch mit streng ökologischem Landbau, dessen Vorgehensweisen durch eine europaweite Richtlinie klar definiert sind, will die FNL ohnehin nichts zu tun haben. „Generell möchte der Verbraucher zu Aldi gehen“, bemerkt Jepsen, „und nicht für ein Frühstücksei zehn bis 50 Pfennig zusätzlich bezahlen.“ Nachhaltigkeit sei nicht nur für den „minimalen Anteil“ der Ökoprodukte und -bauern reserviert: „Auch die restlichen 90 Prozent müssen Naturschutz betreiben“ – nur eben nicht so konsequent.

Auch Regina Witt, Geschäftsführerin des Landwirtschaftsverbandes Gäa in Brandenburg, hält die „Mixtur aus integriertem und konventionellem Pflanzenbau“ nicht nur für bedenklich, sondern gar für „Lug und Trug“. Für die Gäa ist die streng kontrollierte Agrarwirtschaft der einzige Weg zu wirklicher Nachhaltigkeit: „Nur wer sich an die entsprechende EU-Verordnung hält, darf streng genommen das Nachhaltigkeits-Etikett im Namen führen.“ In Brandenburg beträgt der Anteil der Höfe, die nach diesen Kriterien wirtschaften, etwa drei Prozent. „Wir müssen uns jeglicher Formen bedienen, damit wir in der Pflanzenproduktion weiterkommen. Dabei benutzen wir gerade so viel Chemie und Biotechnologie, wie notwendig ist“, beharrt Jespen. Das Aufbegehren der Naturschutzorganisationen gegen den Verbandsnamen – beziehungsweise seine Statuten – kann sie nicht verstehen: „Dazu sehen wir keine Veranlassung. Wir werden uns weiterhin für Nachhaltigkeit einsetzen.“

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