piwik no script img

„Suchen und ersetzen“

Im Wortlaut: Joseph Stiglitz, ehemaliger Chef-Ökonom der Weltbank, plaudert aus dem IWF-Nähkästchen

Wenn der IWF sich entscheidet einem Land zu helfen, schickt er eine „Mission“ von Ökonomen dorthin. Diese Ökonomen haben in der Regel keine große Erfahrung mit dem Land; sie kennen die Fünf-Sterne-Hotels des Landes besser als die Dörfer auf dem Land. Sie arbeiten dann hart und basteln bis tief in die Nacht an Zahlen.

Aber ihre Aufgabe ist unmöglich zu lösen. In ein paar Tagen, bestenfalls Wochen, sollen sie ein kohärentes Programm aufstellen, das auf die Bedürfnisse des Landes ausgerichtet ist. Ich brauche nicht zu sagen, dass ein bissschen Zahlenkauen wohl wenig adäquaten Einblick in die Entwicklungsstrategie eines ganzen Landes gibt. Schlimmer, dieses Zahlenkauen ist noch nicht mal gut, weil die mathematischen Modelle des IWF oft fehlerhaft und veraltet sind. Von Länderteams ist bekannt, dass sie schon vor dem Besuch Entwürfe ihrer Berichte schreiben. Ich habe Geschichten gehört über einen unglücklichen Zufall, als Teammitglieder lange Abschnitte eines Länderberichtes kopiert haben und sie für einen Bericht über ein anderes Land verwenden wollten. Damit wären sie wohl auch durchgekommen, hätte die „suchen und ersetzen“-Taste des Computerprogrammes mitgemacht. Das tat sie aber nicht, dadurch blieb an einigen Stellen der Name des alten Landes stehen. Oops.

Übersetzung: MAIKE RADEMAKER

Auszug aus einem Beitrag von Joseph Stiglitz in der aktuellen Ausgabe des US-amerikanischen Magazins „The New Republic“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen