„Sitzen machen!“

Ein bisschen Ideologie und raffinierte Unterhaltung: Das 3001 zeigt eine Billy Wilder-Retro  ■ Von Tim Gallwitz

Als US-Filmoffzier kehrt Billy Wilder 1945 in das Land zurück, aus dem er nach dem Reichstagsbrand fliehen musste. Noch während er am Schnitt von Die Todesmühlen mitarbeitet, kommt er zum Schluss, dass Dokumentarfilme nicht geeignet seien, die Deutschen umzuerziehen.

„Werden die Deutschen“, fragte er sich, „Woche für Woche ins Kino kommen, um den schuldbewussten Schüler zu spielen? Wir werden sie wahrscheinlich apathisch durch diese Dokumentarfilme und erzieherischen Wochenschauen dösen sehen – dann bereit für Rita Hayworth in Cover Girl. Wenn man nun aber einen Unterhaltungsfilm machte, in Technicolor und mit einer Liebesgeschichte, raffiniert gemacht, um ein bisschen Ideologie an den Mann bringen zu helfen – mit einem solchen Film hätten wir ein glänzendes Stück Propaganda in der Hand. Leider gibt es diesen Film noch nicht. Ich möchte ihn machen.“

Drei Jahre später macht Wilder diesen raffinierten Liebesfilm: In A Foreign Affair (1948) steht der smarte Captain Pringle zwischen der zugeknöpften Kongressabgeordneten Miss Frost (Jean Arthur) und der lasziven Nachtclubsängerin Erika (Marlene Dietrich). Doch je mehr von Erikas NS-Vergangenheit ans Licht kommt, desto frostiger wird das Verhältnis zwischen Captain und „Fräulein“. „In den Ruinen von Berlin – fangen die Blumen wieder an zu blühn...“, singt die Dietrich, der Friedrich Holländer die Lieder schrieb. Ruinen zeigt Wilder reichlich, und da ist die raffinierte Unterhaltung A Foreign Affair schon wieder historische Dokumentation. In diesen Berlinbildern und den ironisch eingestreuten Beobachtungen – etwa der Halbwüchsige, der zwanghaft überall Hakenkreuze hinmalt – verbinden sich Film und Geschichte zu einer so quicken Mischung, dass kaum jemand durch A Foreign Affair dösen wird.

Auch One, Two, Three konfrontiert den Zuschauer direkt mit dem Politischen: Noch hatte Wilder seine Kalte-Kriegs-Komödie nicht im Kasten, war die Mauer bereits errichtet. Im Deutschland des Wiederaufbaus erwies sich One, Two, Three als Flop. Erst eine Generation später avancierte der Film zum Publikumsliebling. Dumpf war die Zeit und Wilder noch mutloser, was die Zivilisierung der Deutschen betrifft. Hilft nichts mehr, hilft vielleicht noch das Lächerlichmachen. Komisch-deutlich werden da etwa faschistoide Kontinuitäten, wenn die deutschen Angestellten vor dem Coca-Cola-Manager (James Cagney) die Hacken zusammenschlagen. Kerzengerade aufgerichtet stehen sie da, betritt der Manager den Raum. Und auch in der selten gezeigten Originalfassung befiehlt Cagney, am Obrigkeitswahnsinn verzweifelnd: „Sitzen machen!“, immer wieder „Sitzen machen!“.

Wenn Cagney die Metamorphose des Horst Buchholz vom glühenden Kommunisten zum Kapitalis-ten organisiert, dabei ein schnalzendes Fingerschnippen jeder Anweisung Nachdruck verleiht, ist das so rasant inszeniert, dass man fast atemlos den Pointen an den Fersen hängt.

Zu weiterem humoristischem Sprint, etwa ins Zeitungsmilieu der 20er Jahre, laden die ewigen Streithähne Jack Lemmon und Walter Matthau in Extrablatt (1974). Und was an eskalierenden Witz- und Wortkaskaden von Lemmon, Tony Curtis und der Monroe in Manche mögens heiß (1959) zu erwarten ist, braucht wohl kaum mehr erörtert werden. „Ich bin Regisseur geworden, weil ich mir meine Drehbücher nicht mehr verhunzen lassen wollte“, sagte Wilder einmal. Wie richtig diese Entscheidung war, kann man jetzt noch einmal überprüfen.  

One, Two, Three (OF): Mi, 19.4., 20.30 Uhr; So, 23.4., 22.30 Uhr Eins, zwei, drei: Do, 20.3., 18 Uhr; Di, 25.4., 18 Uhr + So, 30.4. – Mi, 3.5., 16 Uhr A Foreign Affair (OmU): Do, 20.4., 22.30; Di, 25.4., 22.30 Uhr Extrablatt: Fr, 21.4., 22.30; Mo, 25.4., 22.30 Uhr; Manche mögens heiß: Sa, 22.4., 22.30 Uhr; Mo, 24.4., 16 Uhr + Do, 27.4. – Sa, 29.4., 16 Uhr, 3001