Einstieg in neue Eugenik

betr.: „Mehr Rechte“, Interview mit Bernd Köppl (MdA, Grüne) über Präimplantationsdiagnostik, taz vom 11. 4. 00

Wenn Bernd Köppl freiweg die Präimplantationsdiagnostik befürwortet, dann hat er die große Gefahr übersehen, dass damit ein Einstieg in eine neue Eugenik eröffnet wird. Gerade Deutschland hat mit seinen schlimmen geschichtlichen Erfahrungen mit der Eugenik in der NS-Zeit gute Gründe, sich hier im Vergleich zu England, Belgien, Holland und anderen Ländern besonders sensibel zu verhalten. Deutschland gehört auch zu den wenigen Ländern, die die Bioethikkonvention des Europarates abgelehnt haben. [. . .] Die bei uns verbotene Präimplantationsdiagnostik soll die Selektion von angeborenen Krankheiten ermöglichen. Diese Diagnostik öffnet die Tore für eine prinzipiell grenzenlose eugenische Selektion, die am Endpunkt zu einem Wunschbaby führen kann, dessen Geschlecht, Haarfarbe und alle möglichen Eigenschaften von den Eltern ausgewählt werden. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag hat erst jüngst bekräftigt, dass sie auch weiterhin auf dem Verbot der Präimplantationsdiagnostik besteht.

Die Präimplantationsdiagnostik wird von der Bundesärztekammer und auch von Köppl als fortschrittlich ausgegeben, weil sie der Selbstbestimmung der Frau entspräche. Jedoch verbirgt sich dahinter die Fremdbestimmung durch den Arzt, der festlegt, welche Krankheiten zu einer Vernichtung des Embryos im Reagenzglas führen. Die Ärzte sind die Entscheider über den Krankheitenkatalog, der zu Grunde gelegt wird. Die bisher vorgeschlagene Begrenzung auf eine kleine Zahl von Erbkrankheiten ist willkürlich und kann je nach Opportunität erweitert werden. Damit befinden wir uns vor einem Dammbruch. Es ist auch der Versuch, die scheinbare individuelle Selbstbestimmung zu missbrauchen, um vorgegebene eugenische Interessen der Gesellschaft durchzusetzen.

Die Rolle des Arztes soll ganz neu definiert werden. Er würde sich nicht mehr auf Linderung von Krankheiten und Verhinderung von vermeidbarem Tod konzentrieren, sondern auch auf eugenische Selektion.

Weiterhin steht hinter dem präimplantationsdiagnostischen Verfahren der Wunsch vieler Forscher, den Weg frei zu machen für Experimente zur Züchtung von Geweben wie Nieren-, Nerven-, Leber- oder Muskelgewebe für die Transplantationsmedizin.

Letztendlich kann die Präimplantationsdiagnostik zu einem Routineverfahren entwickelt werden, an dem in der Zukunft keine Frau mehr vorbeikommen kann, weil es zum Standard erklärt wird. Die Bündnisgrünen sollten nicht blindem Fortschrittsglauben hinterherlaufen, sondern bei ihrer kritischen Haltung gegenüber der Gentechnologie bleiben. HARTWIG BERGER, (MdA)

MARION BÖKER (Bundesfrauenreferentin)

ELFI JANTZEN (MdA), MONIKA KNOCHE (MdB)

BARBARA OESTERHELD (MdA), ELISABETH PAUS (MdA)

REGINA SCHMIDT (Vorsitzende des Kreisverbandes

Hohenschönhausen/Lichtenberg)

PETER SCHULZ (Sprecher der LAG Gesundheit)

JOHANNES SPATZ (Sprecher der LAG Gesundheit)

BERNHARD WEINSCHÜTZ (MdA)

sämtlich von Bündnis 90/Die Grünen