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Alien Nation USA

Anwalt der Arbeiterklasse und Mutter Teresa der Linken, aber auch Politclown und Humor-Anarchist: Michael Moore und sein Dokumentarfilm „The Big One“

Die Vereinigten Staaten sollten sich ein Beispiel an Großbritannien nehmen, erzählt der voluminöse Mann mit der Baseballkappe in einem Radiointerview. Die hätten das „Groß“ schließlich schon so schön im Namen, dass etwaige Feinde gleich Angst bekämen, wenn sie es hörten. Michael Moore schlägt darum vor, die USA in „The Big One“ umzubenennen. Und die Nationalhymne könne man auch gleich auswechseln, meint der Filmemacher, Politkomiker, Menschenrechtler und Humor-Anarchist Moore: „We Will Rock You“ von Queen, das träfe es doch viel besser.

Moore ist Autor und Dokumentarist. 1997 machte er eine Lesereise, um sein ein Jahr zuvor erschienenes Buch „Downsize this: Random Threats from an Unarmed American“ vorzustellen, der Dokumentarfilm „The Big One“ ist dabei entstanden. Im Rahmen der Tournee durch annähernd 50 amerikanische Städte besucht er verschiedene große Konzerne, die gerade Leute entlassen haben, und überrascht deren Repräsentanten mit seinen Aktionen: „Ich habe ihnen den Downsize-Award mitgebracht. Weil Sie im letzten halben Jahr ein paar Millionen Dollar Profit gemacht und darum ein paar hundert Leute entlassen haben . . .“

Moore wird mit verzweifelt grinsenden Firmensprecherinnen fertig, er macht seine überraschten „Escorts“, also vom Verlag georderten Presse-Begleiterinnen mundtot, er trifft sich in Milwaukee heimlich mit den Angestellten einer großen Büchermarktkette und bestärkt sie in ihren Bemühungen, eine Gewerkschaft zu gründen. Moore ist ein sarkastischer Anwalt der Arbeiter, eine „Mutter Teresa der Linken“, wie ihn das US-Kinomagazin Cineaste nennt.

Im Film sieht man ihn zwischen den Signierstunden immer wieder auf der Bühne unglaubliche Geschichten erzählen: Er habe unter verschiedenen Namen Spendenschecks an Bill Clinton und einige Senatoren verschickt. Sie seien fast alle eingelöst worden – Geld von den „Vereinigten Hanfbauern Amerikas“ oder dem „Pädophilenverein“. Damit ging Moore damals auch durch die amerikanische Presse, die ihn schon seit über zehn Jahren kennt.

Sein dritter Film nach der grandiosen, preisgekrönten satirischen Dokumentation „Roger And Me“ von 1989, in der er den Chef von General Motors, Roger Smith, dazu überreden will, die Schließung einiger GM-Fabriken zu verhindern, hat wieder das gleiche Thema: Welche Chance hat die Working Class, sich gegen das politische System zur Wehr zu setzen und nicht von ihm ins Arbeitslosenabseits befördert zu werden? „Es kann ja nicht nur um Profit gehen“, sagt Moore auf der Bühne. „Wenn es nur um Profit ginge, dann würden die Fabriken Crack verkaufen, warum tun sie das nicht?“ „Weil die CIA den Markt beherrscht!“, ruft einer aus dem Publikum.

Moore ist außer politisch engagiert noch unschlagbar schlagfertig und amüsant, das macht den Film zu einem solchen Ereignis. Er referiert auf der Bühne anhand von Fernsehausschnitten über den Multimillionär und Verleger Steve Forbes, weil der „nie mit den Augen blinzelt“, Moore habe deswegen einen Augenarzt angerufen und gefragt: „Was heißt das, wenn einer minutenlang nicht blinzelt?“ „Das ist nicht menschlich“, habe der Arzt geantwortet. Steve Forbes ist also ein Alien! Trotzdem: Auch Moore ist Teil des Systems und damit affirmativ. Er hat sein Buch in einem großen Verlag herausgebracht, es war wochenlang in den Bestsellerlisten.

Aber Michael Moore und seine Aktionen scheinen immer noch gefährlich oder sogar subversiv genug, dass sich erst nach Jahren ein Verleih für diesen ungewöhnlichen Film gefunden hat und er nicht bundesweit startet.

JENNI ZYLKA

„The Big One“. USA/GB 1997; Regie: Michael Moore. Farbe, 96 Min. OmU; Filmbühne am Steinplatz, Charlottenburg, 18 und 20 Uhr

Zitat:„Wenn es nur um Profit ginge, dann würden die Fabriken Crack verkaufen. Warum tun sie das nicht?“

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