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Der Unbeugsame

Das Leben des tunesischen Journalisten Tawfik Ben Brick ist bedroht.Seit Anfang April ist er im Hungerstreik – gegen staatliche Willkür

Tawfik Ben Brick will nur noch eines: weg aus seiner Heimat Tunesien. Doch damit hat der 39-jährige Korrespondent der französischen Tageszeitung La Croix und der Agenturen Infosud und Syfia ein Problem. Seit über einem Jahr hat er keinen Reisepass mehr. Die Polizei konfiszierte das Dokument, als er dienstlich von Tunis nach Genf fliegen wollte. Seit 24 Tagen befindet sich der streitbare Journalist deswegen im Hungerstreik. Obwohl er 18 Kilo abgenommen hat und, wie er sagt, „die rote Linie längst überschritten ist“, gibt er nicht auf.

Tawfik Ben Brick gehört zu den beliebtesten Zielen der Repression unter Präsident Ben Ali. Die Schikanen begannen vor zwei Jahren, als Ben Brick Artikel über die prekäre Menschenrechtslage im mediterranen Urlaubsparadies veröffentlichte. Er wurde auf offener Straße mit Ketten zusammengeschlagen, seine Kinder und seine Frau wurden bedroht. Anonyme Anrufer störten die Nachtruhe, und sein Auto wurde demoliert. Schließlich wurde er auf offener Straße verschleppt und, ohne dass seine Angehörigen informiert wurden, im Innenministerium festgehalten. Es half alles nichts. Ben Brick schrieb weiter, er schloss sich „Reporter ohne Grenzen“ und dem Rat für die Freiheit in Tunesien (CNLT) an.

Just als er am 3. April seinen Hungerstreik begann, wurde er vor Gericht zitiert. Sechs Jahre Haft drohen ihm wegen zwei Texten über Menschenrechte. Als „Verbreitung falscher Nachrichten“, „Aufstachelung zu Unruhen“ und „Verleumdung der Sicherheitskräfte“ gilt dies unter Ben Ali, der sein Land in Hochglanzprospekten gerne als das offenste arabische Land verkauft.

Selbst jetzt, wo Ben Brick völlig entkräftet ist, lässt ihn die Polizei nicht in Ruhe. Als er am Montag aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes in ein öffentliches Krankenhaus eingeliefert wurde, hatten sich bereits Wächter in seinem Zimmer niedergelassen. „Zwei Herren im weißen Blouson“ – so Ben Brick – wurden gegen ihn, seine Frau und seine Schwester handgreiflich. Auch nach der Verlegung in eine Privatklinik hörten die Beamten nicht auf, den Journalisten zu bedrängen. Seit gestern ist er zu Hause, „der einzige Ort, wo ich hinkonnte“, ohne ärztliche Betreuung. „Ich hatte Angst, die Polizei könnte mich verschleppen“, begründet Ben Brick, warum er die Klinik verließ.

Aufgeben will er nicht. Da hilft auch das Zureden von besorgten Freunden und Familienangehörigen nichts. „In Algerien werden Journalisten ermordet, in Tunesien stirbt der Journalismus“, lautet einer der offenen Sätze Ben Bricks, die ihm der Präsident nie verzeihen wird. REINER WANDLER

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