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Mailand: Ödnis in Malpensa

In Norditalien machen zwei alte Flughäfen dem neuen Airport Konkurrenz

Der Satz erschien den Passagieren am vergangen Freitag wie der blanke Hohn. „Allen, die vom Fliegen träumten“, ist das Denkmal vor dem alten Mailänder Flughafen Linate gewidmet. Für viele der Wartenden blieb das Abheben auch hundert Jahre nach der Erfindung des Flugzeugs nur ein frommer Wunsch. Der Lufthansa-Jet, der sie nach Frankfurt bringen sollte, war auf dem entlegenen Airport Malpensa gelandet.

Nicht die schlagkräftigen Mini-Gewerkschaften der Fluglotsen wirbeln derzeit die Mailänder Flugpläne durcheinander, sondern der Dauerzwist, den sich Regierung und Airlines um den Umzug nach Malpensa liefern. Vor 15 Jahren hatten die Italiener beschlossen, den 50 Kilometer von Mailand entfernten Flugplatz zum internationalen Luftkreuz auszubauen. Inzwischen dämmert den Verantwortlichen, dass sie bei der Eröffnung vor anderthalb Jahren den entscheidenden Fehler begingen: Linate blieb vorerst offen, weil Autobahn und Schienenstrang nach Malpensa noch nicht ausgebaut waren.

Damit war der Streit programmiert. Vor allem auf den heiß umkämpften Rennstrecken landen die Gesellschaften lieber in Stadtnähe als weit draußen im lombardischen Hinterland. Die heimische Linie Alitalia durfte auf der lukrativen Rom-Strecke unbegrenzt auf dem City-Airport starten und landen.

Die verärgerte Konkurrenz zog in Brüssel gegen dieses Privileg zu Felde – und erstritt sich vorerst das Recht, zumindest ihre Drehscheiben in Frankfurt, London oder Paris weiter vom alten Flughafen aus anzusteuern. Unterdessen verlegte Alitalia das eigene Luftkreuz nicht nach Malpensa, sondern nach Rom. Jetzt will auch die belgische Sabena die Flucht ergreifen – und statt die Mailänder Flughäfen künftig das nahe Bergamo anfliegen. Das Ergebnis einer Planung à la Berlin: Jetzt hat Mailand drei Flughäfen, ist aber vom Luftkreuz weiter entfernt denn je.

Inzwischen hat sich das vermeintliche Privileg auch für Alitalia selbst als wenig vorteilhaft erwiesen. Auf den Fernstrecken nach Asien oder Amerika hat die italienische Gesellschaft für die Passagiere aus dem wirtschaftsstarken Norden jeden Heimvorteil verloren. Umsteigen muss ein Mailänder auf dem Weg nach Atlanta oder Tokio in jedem Fall – ob er es in Rom oder Frankfurt tut, ist ihm egal. Obendrein bringt das Chaos in Mailand die Kooperation mit KLM in Gefahr, die Alitalia für den Wettbewerb fit machen sollte. Die Holländer verlangen „größere Klarheit“ über die Zukunft von Malpensa.

Schon verhöhnen die Zeitungen den neuen Airport als „Kathedrale in der Wüste“ – so nannte man bislang die fehlgeschlagenen Industrieprojekte, mit denen die römische Regierung den armen Süden aufpäppeln wollte. Das schmerzt die stolzen Lombarden, die sich gern als reichste Region Europas feiern.RALPH BOLLMANN

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