Geiz, Angst und Trägheit

Wechselwirkung: Warum so wenige HamburgerInnen auf grünen Strom umsteigen. Zahlen, Meinungen und Spekulationen von  ■ Gernot Knödler

Regelmäßig spricht sich eine Mehrheit der Deutschen gegen die Atomkraft aus. Nur: Persönlich aussteigen aus der Atomenergie, etwa durch den Wechsel des Stromversorgers, wollen nur sehr wenige, wie sich die Wechselbereitschaft überhaupt in Grenzen hält. Im wesentlichen Angst, Geiz und Trägheit scheinen die Leute bei ihren ehemaligen Gebietsmonopolisten zu halten.

Beispiel Hamburg: In dem knappen Jahr, seit dem Tarifkunden nicht mehr auf Strahlung-komm- raus Strom von den Hamburgischen Electricitäts-Werken (HEW) beziehen müssen, hat der Ex-Monopolist lediglich 15.000 von insgesamt 900.000 HaushaltskundInnen verloren. Gut ein Achtel davon entschied sich nach HEW-Angaben für grünen Strom, weitere 1300 wechselten zur HEW- und Shell-Ökostrom-Tochter Newpower. Die Übrigen bevorzugten billigere Angebote.

Auf den Preis scheint die Kundschaft zu reagieren, allerdings vor allem in Kombination mit Vertrauen in den Anbieter: Rund ein Drittel der HEW-KundInnen stieg auf den günstigeren Tarif „HEW future“ um. Sie erhalten den gleichen Strom vom selben Anbieter für weniger Geld, mussten sich aber für ein Jahr an die HEW binden.

Für diesen Wechsel der Tarife mussten die KundInnen einen geringen bürokratischen Aufwand treiben, der allerdings nur unwesentlich unter dem Aufwand für den Wechsel zu einem ganz anderen Versorger liegt. Der Schreibkram kann also nicht das einzig entscheidende Moment sein.

„Die Leute sind total verunsichert“, glaubt Sven Teske. „Es ist unglaublich, wieviele Leute ich am Telefon hatte, die fürchteten, dass sie keinen Strom kriegen“, berichtet der Greenpeace-Mitarbeiter. Weil der Verkauf sauberen Stroms nur so schleppend anlief, hatte die Umweltorganisation beschlossen, das Gewicht ihres guten Namens in die Waagschale zu werfen, und war im November mit dem Stromangebot „Greenpeace Energy“ an die Öffentlichkeit getreten.

Das Kalkül scheint aufzugehen: 8000 Männer und Frauen haben inzwischen bei Greenpeace Energy unterschrieben, 4000 werden bereits beliefert. Das ist mehr, als der mit vorsichtigen Prognosen ver-fasste Geschäftsplan der Genossenschaft vorsieht und viel mehr als bei anderen Öko-Anbietern:

So beliefert zum Beispiel die Natur Strom AG nach eigenen Angaben rund 6000 Haushalte, die Hälfte davon allerdings in Zusammenarbeit mit ehemaligen Gebietsmonopolisten, etwa Stadtwerken. Newpower-Strom, bis dato nur in Hamburg zu beziehen, beliefert 1300 KundInnen und ist damit Marktführer in der Hansestadt. Ökostrom liegt bei „unter 1000“ KundInnen, Nordstrom bei knapp 700 und der Bunte Strom vom Bund der Energieverbraucher bei 500.

Darüber, wie sich die Wechselbereitschaft entwickelt, geben die Anbieter unterschiedliche Auskünfte: Während Sascha Armin vom Bund der Energieverbraucher sagt, „die Wechselbereitschaft ist stark zurückgegangen“, und sich Harald Preukschat von Ökostrom ärgert, dass er um jedeN KundIn kämpfen muss, macht Helen Wobst eine „steigende Zahl von Abschlüssen pro Monat“ aus.

„Es kann bis zu einem halben Jahr dauern, bis sich die Leute entscheiden“, sagt Wobst. Demnach würden die Öko-Anbieter jetzt die Früchte ihrer früheren Anstrengungen ernten. Greenpeace, deren „Aktion Stromwechsel“ lange vor der Liberalisierung angelaufen ist, will Ende 2002 rund 10.000 Haushalte beliefern.