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ejectCHRISTIAN RATH über Ethik, Resozialisierung und Baustoffgroßhändler

BUSS-BROTHER

Das Fernsehen der Zukunft ist gut. Nicht „gut unterhaltend“ – das vielleicht auch –, sondern ethisch „gut“, so wie das Christentum, das uns eine Chance gibt, unsere Sünden zu bereuen und Buße zu tun. Sabrina zum Beispiel macht nicht deshalb bei „Big Brother“ mit, weil sie die 250.000 Mark verdienen will – das vielleicht auch –, sondern weil sie mit der Welt wieder ins Reine kommen möchte. Denn, klar, von der Siegprämie bliebe ihr nicht viel: Da müssen zuerst mal drei geprellte Baustoffgroßhändler bezahlt werden, und dann ist da wohl noch eine saftige Geldstrafe wegen Betrugs fällig. Immerhin hatte sie 1995 als konkursgeweihte Jungdachdeckerin ohne echten Zahlungswillen jede Menge Ziegel bestellt. Das war böse.

Wir Zuschauer-Götter wollen ihr das jetzt aber schnell verzeihen, weil sich Sabrina so beherzt in ihre Resozialierung gestürzt hat. Nachdem sie schon zwei Strafprozesse platzen ließ und deshalb mit Haftbefehl gesucht wurde, nutzt sie jetzt die RTL 2-Container-Show um der Welt zu sagen: „Hier bin ich, Sabrina, die ihr sucht, ihr Staatsanwälte und Baustoffgroßhändler. Vor euren Augen arbeite ich jetzt jeden Tag an meiner moralischen Wiederauferstehung.“

Und wie sie arbeitet: plappert, kräht, prollt, tusst, löckt, meckert, dass es eine Freude und zugleich ein Schrecken ist. Und wenn sie am Ende doch nicht gewinnt, dann bekommt sie doch garantiert Zlatkos Show, wenn dieser medial durchgenudelt ist.

Der TV-Knast ist also in Wahrheit eine Resozialisierungsanstalt. Hier werden Straftäter und Gesellschaft miteinander versöhnt und potenzielle Normverletzer auf den Pfad regelkonformer Konfliktaustragung zurückgeführt. Auch Zlatko hatte beim Sendestart schließlich noch ein bedauernswert diffuses Verhältnis zur Gewalt gegen Frauen. Mehr als einmal beklagte er sich im Sprechzimmer, dass er „hier drin“ wegen der Kameras eben nicht so könne, wie er wolle. Dann musste er ausgerechnet einen Abend lang mit Teletubby-Manu das Feuer bewachen – und aus Aggression wurde Respekt. Zum Abschied versprach er ritterlich: „Das mit den ‚Manu-raus-Rufen‘ regle ich schon.“ – Experiment gelungen, Sozialisation geglückt. Auch John, der „Red Star“ des Ensembles, verkörpert den sozialen Charakter von „Big Brother.“ Ein Hausbesetzer, der nichts bereut, sondern munter vor der Kamera Besetzer-Tipps zum Besten gibt („Immer zuerst ins Grundbuch eintragen lassen, dann sehen die Spekulanten gleich, dass es hier nichts zu holen gibt“). Okay, der Mann sozialisiert leer stehenden Wohnraum, mag da mancher denken, aber wo bleibt hier die Resozialisierung von John?

Eine gute Frage, schon weil John gar nicht noch sozialer werden kann. Schließlich backt er Brot, wäscht ab, kocht und weint, wenn jemand ungerecht zu ihm ist. „Toll, was er für uns alle tut“, säuselte Jona einst zu Recht. Unsere Gesellschaft braucht mehr Brot backende Hausbesetzer, ist die wahre „Big Brother“-Botschaft, jeden Abend um 20.15 Uhr vor dem Actionfilm.

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