Taekwondo zu Technobeats

Erstmals fanden die German Open im Taekwondo in Berlin statt. Kurz vor der Olympiapremiere in Australien sucht man noch nach dem goldenen Mittelweg zwischen Tradition und Moderne

von HOLGER STRÖBEL

So etwas kennt man eigentlich von den Cheerleadern beim Basketball: ein bisschen Jazztanz, ein bisschen rhythmische Sportgymnastik, sorgsam choreografiert, im Hintergrund irgendwas Lautes aus den Dancefloor-Charts. Aber etwas ist hier schon anders. Die überwiegend jugendlichen Tänzer sind nicht allesamt weiblich, sie tragen keine knappen Kostümchen, sondern grobgeschneiderte weiße Anzüge. Außerdem besteht der Hauptteil ihrer Performance aus wilden, aber synchronen Fußtritten und Handkantenschlägen in die überhitzte Hallenluft.

Taekwondo zu Technobeats? Da treffen tatsächlich zwei Welten aufeinander, die voneinander noch nicht viel wissen. Und doch zueinander finden müssen, wenn es nach Walter Schwarz geht. „Wir brauchen eine Vision für die Zukunft“, sagt der Präsident der Deutschen Taekwondo Union (DTU). Rauskommen aus der Nische der Randsportart, das Produkt „Taekwondo“ am Markt platzieren: das wollen die einen. Die anderen wollen am liebsten gar nichts verändern.

Gegen aufgepeppte Vorführungen zu Demonstrationszwecken, wie diejenige, die den ersten Tag der Internationalen Deutschen Meisterschaften am Samstag in Berlin abgeschlossen hatte, können aber auch diese wenig einzuwenden haben. Auch nicht dagegen, dass die vormals Internationale Deutsche Meisterschaft parallel zu ihrem Umzug in die Hauptstadt jetzt German Open genannt wird. „Doch etwas in die Jahre gekommen“ sei die Veranstaltung, so Walter Schwarz, zu der am Wochenende über 400 Teilnehmer aus sechs Nationen ins Charlottenburger Horst-Kober-Sportzentrum gekommen waren. Deshalb bekam sie flugs einen neuen Namen und soll nun fest in Berlin etabliert werden.

“Beach-Taekwondo wird nicht funktionieren“, glaubt Dirk Jung. Der Mediziner wurde 1982 nach Rainer Müller als zweiter Deutscher überhaupt Weltmeister und hat nach Abschluss seiner aktiven Karriere auch einige Jahre lang das Nationalteam trainiert. Er sieht die Entwicklungschancen des koreanischen Kampfsports relativ nüchtern. Um Taekwondo aus seiner Nische zu zerren, bräuchte es Stars. Aber, so der Ex-Weltmeister: „Alles was mit Personenkult zu tun hat, ist in unserem Sport nicht erwünscht.“ Auch das leitet sich wie so vieles unmittelbar von den Wurzeln des Sports ab. Zwar ist Taekwondo in erster Linie eine Form der Selbstverteidigung, wurde aber in den Zeiten der großen Dynastien (um 500 n.Chr.) vor allem militärisch eingesetzt – und im Krieg zählt der Einzelne eben nicht viel.

Also hofft man beim Verband auf Olympia. In Sydney wird Taekwondo erstmals offizielle olympische Disziplin sein. Medaillen für deutsche Athleten, ergo sprunghafter Anstieg der öffentlichen Wahrnehmung – auf diesen kausalen Zusammenhang setzt man beim DTU. Mit Faissal Ebnoutalib, Aziz Acharki und Fadime Helvaciouglu haben sich immerhin drei deutsche Sportler qualifiziert. Der Erfolg ist damit aber noch lange nicht gebucht. Auf internationaler Ebene haben die Spanier, Franzosen und Dänen den Deutschen inzwischen den Rang abgelaufen – von den Asiaten ganz zu schweigen.

Aber: Taekwondo betreiben heißt auch einen langen Atem zu haben, und so setzt man neben der Hoffnung auf Sydney auch auf den Nachwuchs. Den jungen Kämpfern aber sind die Sorgen der Alten relativ egal. Die verdrückten sich am Samstag nach ihrer Choreographie in eine Hallenecke und frönten einem anderen Sport: Sie spielten Fußball.