Der Metronom-Mystiker

■ Jason Swinscoe führt mit seinem Cinematic Orchestra vor, wie auch im neuen Jahrtausend der Takt gewahrt werden kann

Also, Jason Swinscoe ist ein kunstschulabsolventer multi-instrumentalentierter, genial clus-ternder Komponist. Er ist der Einzige, der sein Projekt Cinematic Orchestra nennen darf, ohne Angst haben zu müssen, dafür dereinst in einer neu eröffneten Hölle für Klangschachtelschichter und innovatief Gefallene zu landen, die hybrid zu nennen noch geschmeichelt wäre. Anders gesagt: Kein bisschen TripHop-Posing.

Mit der Formation Crabladder versuchsfusionierte der durch die Bank verschmitzt grinsende Soundschelm Jason Swinscoe schon Anfang der 90er-Jahre Hardcore und Jazz. Dann begeisterten ihn die neuen Dämonen der Technik für das Wunderland der DJs und Radio-Piraterien. Schließlich tauchte er dort auf, wo ihn die treffsicheren trüffelschweinischen Coldcuts Jonathan More und Matt Black vom Fleck weg für ihr Label Ninja Tune hätten signen müssen: im Londoner Büro der Ninjas, wo Jason als best boy (als Mädchen für alles) schaffte. „Damals fing ich gerade erst an, mit dem Sampler zu arbeiten, und ich denke, meine Sachen waren einfach noch zu schlecht, um sie überhaupt zu veröffentlichen“, entschuldigt Swinscoe seine ehemaligen Arbeitgeber, die den Albumerstling des Cinematic Orchestras nun im Nachhinein von anderer Stelle für ihr Label lizensieren mussten. Besser spät als gar nicht.

Welch Werk! Mit der Geste lässiger Bescheidenheit verbinden die durchweg unpeinlich elegischen Epen des treffend Motion benannten Debuts dramatische Eskapaden mit legerer Sesselsüffisanz. Wo wombig wuppende Bassflusen sich mit freigeistig kreischenden Saxofonstärken fetzen, verkugelte Swingschleifen an immer anderer Stelle brüchig werden, reißen oder sich zu fulminant euphorischen Knoten zu verwickeln versprechen, wahrt Swinscoe den Takt. Am Computer fügt der digitale Dirigent dies alles mit metronomystischer Geschmeidigkeit zusammen. Some say Jazz.

„Zunächst schicke ich den Musikern einzelne Spuren, ein Loop, eine Bassfiger, was auch immer. Eine Basis, auf der sie dann improvisieren können. Ihre Aufnahmen geben sie dann an mich zurück und ich editiere daraus das Arrangement.“ Viele Fricklerkollegen kommen über die Verwendung minimaler Sessionschnipsel, die mit hörbarem End-Defekt ebensogut von irgendwoher stammen könnten und das, ähm, Live-Gefühl Makulatur werden lassen, ohnehin nicht hinaus, ihre zu Bit-Stellern gefrankensteinigten Ex-Vibes verlieren Kontext und Leben. Beim Hören von Motion weiß man hingegen nie genau, ob ein kompliziert wirbelnder Schlagzeuger sich nicht schon im nächsten Moment das neue Timestretch-Sakko überwirft und im Hallnebel verschwindet.

Muss da noch erwähnt werben, dass die Morricones des Cinematic Orchestras Filmmusiken der Sechziger und Siebziger zu unseren Gunsten fort ticken lassen? „Mir geht es in erster Linie um Dynamik und die entfaltet sich am besten über lange Passagen. Dynamik braucht eben viel Raum. Ich war bei einem Konzert von Carl Craigs Innerzone Orchestra. Er hatte den Drummer von Sun Ra mit dabei. Und was macht er? Er lässt ihn zu einem DAT-Click spielen. Sklavisch und monoton. Das ist doch Verschwendung!“ Und selber? „In meinem monatlich stattfindendem Club Loop vertonen DJs und Bands den eigenen Soundtrack ihrer Lieblingsfilme.“

Gelobt wurde schließlich auch eine Performance des Orchesters zu Ehren von Stanley Kubrick. Darum erhört mein Pampflehen! Gehet hin und visionähret euch redlich! Ole Wagner

Mi, 10. Mai, 22 Uhr, Mojo Club