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Musik in der Flugzeugwerft

■ Zwischen Tradition und multimedialem Experiment: Das Musikfest verwandelt Bremen im September einen Monat lang in eine Hochburg für klassische Musik

Es ist schon schön für Bremen, dass das Musikfest einigermaßen gesichert erscheint, auch wenn sich die Kulturbehörde aus der Finanzierung inzwischen ganz herausgezogen hat. Mit neuer Geschäftsführung – seit dem letzten Jahr ist Ilona Schmiel in Personalunion Geschäftsführerin des Musikfestes und der Glocke – wurde jetzt das Programm vorgestellt. Wiederum ist es gelungen, den Etat zu erhöhen. Er liegt nun bei circa fünf Millionen Mark. Ein Drittel trägt das Wirtschaftsressort, ein Drittel die Sponsoren und ein Drittel die ZuschauerInnen. Es kann also wieder losgehen mit den ganz großen Namen.

Auffällig ist der erneute Gang in irgendwelche Industriehallen, der sich bereits bei vergangenen Musikfesten sowohl in akustischer, als auch in atmosphärischer Hinsicht wiederholt als problematisch erwiesen hat. „Die Sponsoren wollen es so“, begründet der künstlerische Leiter Thomas Albert diesen Schritt. So gibt es „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ von Kurt Weill in der BWK Halle Blumenthal oder den Liederabend von Jessye Norman in der ASL-Flugzeugwerft Lemwerder. Die Jahrhundertsängerin aus den USA wird ihr Traumkonzert exklusiv für Bremen singen, das sie in Erinnerung an die große Jazz-Legende „The Sacred Ellington“ nennt.

Ebenso wie dieses Projekt fallen auch andere ins Auge, die das Format eines „normalen“ Konzertes überschreiten: Im Pier 2 wird der Pianist Tzimon Barto, der sich für diesen Auftritt BARTO nennt, Musik von Franz Liszt spielen, die Robert Wilson als ein Porträt des Komponisten in der Form eines multimedialen Musikheaterprojektes inszenieren wird (europäische Erstaufführung nach der Uraufführung in Südostasien). Weitere Leckerbissen: drei Konzerte von Andràs Schiff. Schiff wird mit kammermusikalischen Wunschpartnern wie dem „Quatuor Mosaiques“ drei Abende mit Musik von Mozart gestalten: eine Idee des großen Pianisten für Bremen.

Und wie immer ist fast alles vom Feinsten: Philippe Herreweghe dirigiert Brahms' Requiem am Uraufführungsort, dem St. Petri-Dom, John Eliot Gardiner besucht uns an zwei Abenden mit seinem gigantischen Bach-Zyklus, er hat alle Kantaten mit den English Baroque Soloists einstudiert. Die Wiener Philharmoniker beehren uns wieder mit der Urfassung der großen achten Sinfonie von Anton Bruckner; Zubin Mehta dirigiert.

Das Allerneueste ist die Ausstattung der Glocke: der Berliner Götz Lemberg, der sich bezeichnenderweise „Klang- und Raumkünstler“ nennt, hat sich für „Klangtranstase“ in allen Räumen der Glocke ausgebreitet und zeigt seine dreizehn Installationen vom 1. Juli bis zum neunzehnten August. Er will mit vielfältigen Medien die Frage „Was ist Hören?“ neu stellen, „nach drei Jahren das Hören mal anders in diesem herrlichen Raum gestalten“. Man darf gespannt sein, wenn zum Beispiel der große Saal mit Puppen ausgestattet wird, die über Mikrophone aufnehmen, was im Saal passiert. Solche Wege der Festivalplanung, traditionelle Rezeptionen aufzubrechen, sind nur zu begrüßen.

Das Musikfest bietet vom 1. September bis zum 1. Oktober 27 Veranstaltungen, selbstredend sind auch das Philharmonische Staatsorchester und die Deutsche Kammerphilharmonie wieder dabei, wobei letztere sich noch etwas besonders Pfiffiges ausgedacht hat. Sie wird ein Progamm nach Wünschen der HörerInnen zusammenstellen.

Ute Schalz-Laurenze

Momentan ist das Programm des Musikfestes noch nicht im Internet abrufbar. Aber unter www.musikfest-bremen.de kann man sich vormerken lassen und wird informiert, sobald die Infos im Netz stehen. Telefonisch erreicht man das Musikfestbüro unter der Nummer 17 04 25.

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