: „Liebe taz...“ Historische Wahrheit statt Rufmord
Betr.: „Ein Name mit braunen Schönheitsflecken“, taz vom 18.4.2000
Ein Urteil über Butenandt erst nach einem fairen Prozess der historischen Wahrheitsfindung – dies habe ich seit 1998 vergeblich in meiner Schule und als Kreistagsabgeordneter mit Erfolg gefordert. Das kostet aber Zeit. Wer sie verweigert, hat sicher seine Gründe. Bei einem fairen Umgang mit allen verfügbaren Quellen wäre das Thema Butenandt sogar hervorragend geeignet gewesen, Schülern die Konfliktsituationen von Menschen in Diktaturen bespielhaft zu verdeutlichen. Im Kampf um die Namensrücknahme war es aber mit der Objektivität der in dieser Richtung aktiven Lehrer vorbei. Äußerungen von Schülern wie „rechte Sau“ und „leitete im KZ Gas in die Räume“ sind der widerliche Widerhall aus dem Unterrricht einiger weniger Lehrer, die das Thema im Uterricht behandelten. Ohne jegliche Unterstützung meiner Schule habe ich nachgeforscht. Hier ein paar Ergebnisse:
1. Die Beschimpfung Butenandts als „Nazi“ – und wie die NSDAP in Göttingen ihn in einem Dokument vom 16.10.36 beurteilte: „Butenandt ist mit goßer Vorsicht zu bewerten. Seiner Einstellung vor der Machtübernahme nach ist er als Demokrat zu beurteilen. (...) Nach der Machtübernahme hat er nicht die geringsten Berührungspunkte mit dem Nationalsozialismus bekommen. (...) Ein Dozentenbundskamerad erzählte mir (...), dass Butenandt in jeder möglichen Art den Nationalsozialismus ablehne und nat.-soz. Einrichtungen, wie z. B, den SA-Dienst, zu sabotieren suche. Trotzdem werden wir auf Butanandt als Wissenschaftler nicht verzichten können.“ Butenadt ist also nicht aus Überzeugung in die NSDAP eingetreten.
2. Der Vorwurf gegen Butenandt, er habe den „Rausschimiss“ seine jüdischen Amtsvorgängers Neuberg verlangt, ist falsch und ehrverletzend. Bevor Butenandt das Direktorenamt im KWI für Biochemie am 1.11.36 übernahm, führte er auch Verhandlumgem mit der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG). Dabei sprach Butenandt sich für die Überlassung eines Teiles des Torhauses an Herrn Neuberg aus, für „einige tausend Mark für Herrn Neuberg als Zuschuss für seine Arbeiten“ sowie dafür, „die Apparate, die nicht benötigt werden, Herrn Prof. Neuberg leihweise zu überlassen“. Butenandt verlangte allerdings, dass nicht sein Institut etatmäßig damit belastet werden sollte, sondern die KWG als Ganzes. 3. Beharrlich werden die Beschuldigungen wiederholt, ein Mitarbeiter Butenandts habe mit epilepsiekranken Kindern Kriminelle Versuche in einer Unterdruckkammer durchgeführt. Der beschuldigte Ruhenstroth-Bauer lebt neute noch in München. Seine Gegendarstellung enthielt man uns vor. Darin werden die medizinische Zielsetzung und die Umstände des Versuches geschildert, bei dem die beiden Wissenschaftler und ein Betreuungsoffizier (der Luftwaffe) mit den Kindern in der Unterdrucckammer waren. Auch habe er (Ruhenstroth) mit Butenandt nie darüber gesprochen. Die Butenandt-Verfolger machten sich nicht die Mühe, diese Darstellung zu widerlegen (“Der lügt doch sowieso“). Auch wagte niemand, Strafanzeige gegen den Denunzierten zu stellen. In unserem Rechtsstaat hätte man dann gerichtsfeste Beweise liefern müssen. Man bedenke, falsche Beschuldigungen dieser Art sind Rufmord! Martin Bensen, stv. Leiter der Adolf-Butenandt-Schule
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