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Herkömmliche Hackordnung

betr.: „Verpasste Chancen für die Friedensfahrt“, taz vom 8. 5. 00

Im Bericht werden die Ansichten des Marketingdirektors Strenger unkritisch kolportiert. Danach sei man durch „Trennung von der Vergangenheit“ für die Radrundfahrt inzwischen „aus dem gröbsten raus“. Ich glaube, dass hier, wie schon oft bei der so genannten Wiedervereinigung, das Kind mit dem Bade ausgeschüttet worden ist. Zu DDR-Zeiten hieß es beispielsweise, dass Mannschafts- und Einzelwertungen der Friedensfahrt öfter auch unter Gesichtspunkten politischer Opportunität entschieden worden seien. Heute ist wieder die herkömmliche Hackordnung der Teams nach Geldbeuteln auszumachen. Wäre es da nicht spannender gewesen, etwas Neues zu wagen? Zum Beispiel Extrazeitgutschriften für die „Kleinen“, die für mehr Chancengleichheit unter den Fahrern sorgten. Das Ziel hätte lauten können, dass sich die Friedensfahrt vom einstmals bedeutendsten Etappenrennen für Amateure zur größten Talentschmiede unter allen Rundfahrten entwickelt.

Die von der jetzigen Organisationsleitung vorgenommenen personellen Ausgrenzungen – „Ich (Strenger) kann nicht mit Sponsoren arbeiten, wenn ein Täve Schur im Vorstand sitzt.“ – stellen ebenso ein Armutszeugnis dar. Täve Schur (unter anderem: zweimaliger Friedensfahrtsieger, zweimaliger Amateurweltmeister im Straßenrennen und neunmaliger Sportler des Jahres in der DDR) war nicht bloß das „DDR-Radsportidol“, wie es im Bericht heißt, sondern hatte für die Menschen in der ehemaligen DDR eine vergleichbare Bedeutung, wie im Westen die Fußballweltmeister von 1954. Strengers Behauptung, das Aushängeschild Täve sei für Sponsoren ein rotes Tuch, legt Intrigantentum als Motiv nahe. Statt Schur in die Arme der PDS zu vergraulen, hätten seine Erfahrungen und seine unverändert große Popularität in den neuen Bundesländern zur Reorganisation und Reformierung der Friedensfahrt genutzt werden können. KRISTAN KOSSACK, Minden

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