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Die Styles, die ich rief

Der Fluch der ersten Platte macht auch vor den HipHopern The Pharcyde nicht Halt  ■ Von Uh-Young Kim

Die ursprünglich vierköpfige HipHop-Formation aus L.A. droht auseinander zu brechen. Interne Differenzen und der Druck des Erfolgs haben die Rap-Gruppe, um die es in letzter Zeit verdächtig still geworden ist, um die Hälfte schrumpfen lassen. Und das kurz bevor sie mit ihrem ers-ten Album seit fünf Jahren aufwarten.

Wie Gang Starr nach ihrem Debüt jahrelang klar stellen mussten, dass sie keinen Jazz-Hop machen oder De La Soul mit dem Hippie-Image von 3 Feet High & Risin zu kämpfen hatten, begründet sich der Erfolg und Ruf von The Pharcyde als Spaß-Rapper mit lockeren Flows und witzigen Reimen auf dem Debüt-Album von 1992. A Bizarre Ride II ist immer noch eines der vielseitigsten Alben der Rap-Geschichte. Von den Problemen des Führerschein-Entzugs („Officer“), dem spätpubertierenden „Pictures Of Lilly“ des Rap („On The DL“) über die Kiffer-Hymne „Pack The Pipe“ und dem Klassiker „Passing Me By“ mit der bisher besten Verwertung von Quincy Jones' „Summer In The City“ – die MCs Imani, Booty Brown, Fatlip und Slimkid Tre haben in die seinerzeit von kalifornischem Gangster-Rap dominierte eine Offenheit gebracht, die in das Leben von College-Kids passte.

Keine schweren Jungs, keine Goldketten, keine Waffen, sondern Uptempo-Beats, witzige Reime, clowneske Einlagen und die tänzerisch mitreißende B-Boy-Performance inspirierten nicht nur heutige Top-Seller wie die Black Eyed Peas, sondern auch die Frühphase der neuen Rap-Generation hierzulande. So wäre Eissfeldts Singsang ohne Slim Kid Tres Flow nicht denkbar und auch MC Rene hat sich aus dem reichhaltigen Fundus der bizarren Abfahrt mehr als genug bedient.

Drei Jahre später kam mit Labcabincalifornia das lang ersehnte Nachfolgealbum. Ursprünglich mit dem Titel Revelation geplant, sprach hier eine sehr viel reifere Pharcyde.Labcabin wird wohl vor allem als Coming Out des Q-Tip Protegés und heißumworben Detroiter Produzenten Jay Dee ( u.a. Slum Village, Common, Erykah Badu, A Tribe Called Quest) in die Hall Of Fame des Rap eingehen. Derweil hatten die Pharcyde-MCs zur Enttäuschung vieler Fans stilis-tisch gesehen einige Gänge runter geschaltet, um das Image als Spaß-Rapper loszuwerden. Das butterweich fließende Spiel zwischen den vier hochkarätigen MCs aber blieb.

Um diese Zeit fingen jedoch auch die Probleme an. Ego-Clashes und kreative Streitigkeiten führten zum Rausschmiss von Fatlip, der sich seitdem solo die Nase pudert. Auch das im Juli letzten Jahres aufgekommene Gerücht, dass Slimkid nach Jahren der Probleme mit ihrem alten Label die Gruppe verlassen würde, scheint sich jetzt zu bestätigen. Das Vorhaben ihres zukünftigen Labels, Fanta-4s Four Music nach Old-School-Opis wie Scorpio (Furious Five) nun auch diese Helden der alten Tage zu reanimieren, ist fraglich. Ihre selbst vertriebene EP Testing Waters vom letzten Jahr war nicht „weit draußen“, sondern allenfalls medioker.

Ob eine auf die Hälfte dezimierte Pharcyde die Energie ihrer von Tanzeinlagen und hyperaktivem Arme-Wedeln geprägten Shows rüberbringen kann, ist dabei fraglich. Denn live wollen die meisten sowieso immer wieder die alten Hits hören.

heute, 21 Uhr, Fabrik

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