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Der Buschkrieger

Sierra Leones Rebellenführer Foday Sankoh ist eine schillernde Figur. Seit der Krieg wieder ausgebrochen ist, ist er jedenfalls verschwunden

Die Szenen von Anfang letzter Woche gingen um die Welt. Journalisten, Soldaten und Passanten kletterten im geplünderten Haus von Foday Sankoh in Sierra Leones Hauptstadt Freetown herum und bestaunten unter anderem Sankohs Originalexemplar des Friedensvertrages, den er im Juli 1999 mit Sierra Leones Präsident Ahmed Tejan Kabbah unterzeichnet hatte. Jetzt im Müll liegend, symbolisierte das Dokument den Zusammenbruch des Friedens in dem westafrikanischen Land.

Einem Pressebericht zufolge floh Sankoh vor einer Woche aus seinem Haus, das kurz zuvor Schauplatz eines Schusswechsels zwischen Rebellen der von Sankoh geführten Revolutionären Vereinigten Front (RUF) und Regierungstruppen gewesen war, gekleidet in ein Gewand mit magischen Kräften. Seitdem soll er bei seinen Kämpfern im Dschungel oder im benachbarten Liberia ausharren. Andere meinen, Sankoh sei in Gewahrsam der Regierungstruppen. Nicht wenige spekulieren, Sankoh sei tot. Wie auch immer: Man hat seit einer Woche nichts von ihm gehört – und damit gibt es niemanden, der Sierra Leones 15.000 RUF-Rebellen zurück zum Frieden führen könnte.

Seine Karriere begann Sankoh als Inbegriff dessen, was er heute bekämpft: als britischer UN-Blauhelmsoldat. Später arbeitete er verschiedentlich als Fotograf und Kameramann, verbrachte einige Zeit im Gefängnis und stieß 1987 in Libyen auf andere unzufriedene Sierra-Leoner, mit denen er 1989 die RUF gründete. Zunächst kämpfte diese Gruppe in Liberia unter Ägide des dortigen Rebellenführers Charles Taylor, inzwischen Präsident von Liberia. 1991 trug die RUF ihren Krieg in die Heimat und setzte sich in den Diamantenminen des östlichen Sierra Leone fest.

Die RUF hat den Krieg nie gewonnen, aber auch nie verloren. Insgesamt dreimal hat die RUF mit dem 1996 gewählten Präsidenten Ahmed Tejan Kabbah Frieden geschlossen. Nie hat der Frieden gehalten, aber jedes Abkommen brachte Sankoh der Macht näher, während sich zwischendurch ausländische Eingreiftruppen an der RUF-Guerilla regelmäßig die Zähne ausbissen.

Nach dem letzten Frieden 1999 konnte Sankoh sich am Ziel wähnen. Er war Vizepräsident und Chef der staatlichen Bergbaukommission, empfing als oberster Diamantenhändler mehr Besucher als der Präsident und machte sogar mit dessen Neffen Geschäfte. Er freute sich schon auf die nächsten Wahlen, die er gewinnen wollte. Aber das Establishment in Freetown hat ihn nie akzeptiert. Ihm gilt Sankoh als unberechenbarer Psychopath. Jetzt ist also wieder Krieg.

DOMINIC JOHNSON

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