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Schlamperei in Enschede?

Noch immer ist die Ursache der Feuerwerksexplosion nicht geklärt

AMSTERDAM taz ■ „Feuerwerk explodiert nicht von selbst, nicht mal bei solch hohen Temperaturen.“ Harm Smallenbroek hat jede Menge Fragen: Zuallererst an die beiden Geschäftsführer von S.E. Fireworks, der Firma, die seinen Namen trägt. Aber Ruud Bakker und Willem Pater, Eigentümer von S(mallenbroek) E(nschede) Fireworks, wurden nicht mehr gesehen, seit am Samstag eine verheerende Explosion in der ostniederländischen Stadt einen ganzen Bezirk weggeblasen hatte.

Smallenbroek, der sein international renommiertes Unternehmen vor zwei Jahren für 1,2 Millionen Gulden (etwa eine Million Mark) an seine zwei Angestellten verkauft hat, kann nur mutmaßen, was sich hinter den Mauern seines ehemaligen Firmengeländes abgespielt hat. Standen die Türen der Arbeitsbunker auf? Immerhin würde sich dadurch die Kettenreaktion erklären. Wurde auf dem Werksgelände mit losem Pulver gearbeitet – praktischer in der Handhabung für die Mitarbeiter, aber eben auch gefährlicher?

Und haben die Behörden der Stadt Enschede nach Übernahme der Firma durch Pater/Baaker einer sicherheitstechnisch im Grunde unzulässigen Erweiterung der Lagerkapazitäten zugestimmt? Immer wieder wird von den verantwortlichen Stellen betont, die Behörden hätten regelmäßig das immer komplizierter werdende Feuerwerk mit sicherheitstechnischen Auflagen versehen, die Stadt habe nach entsprechender Prüfung die notwendigen Genehmigungen erneuert. Jedes Jahr einmal.

Und warum wurde Smallenbroeks Sohn, der in Abwesenheit seines Vaters auf Bitten der Polizei beim anfänglichen Brand auf dem Werksgelände vor Ort war, von der neuen Geschäftsführung aufgefordert, das Gelände unverzüglich zu verlassen? „Da hatte man wohl was zu verbergen, meine ich“, sagt Smallenbroek.

Fest steht, dass eine Lagerung der Feuerwerkskörper in einfachen Kartons die Katastrophe womöglich hätte verhindern können. Der Gesetzgeber verlangt solches, oft jedoch öffnet das Personal die Kartons und legt den Inhalt der Einfachheit halber auf offene Regale – wodurch sich das Risiko einer Explosion dramatisch erhöht.

Fest steht ebenfalls, dass sich Sicherheitsexperten im In- und Ausland fragen, was um alles in der Welt eine solch explosive Ladung mitten in einer Wohngegend zu suchen hat. Obwohl es am Sonntag geheißen hatte, die Siedlung, die mehrheitlich von sozialen Randgruppen wie Arbeitslosen und Angehörigen ethnischer Minderheiten bewohnt wird, sei um die Firma S.E. Fireworks herumgebaut worden, stellte ein ortskundiger Historiker gestern klar, dass die Arbeiterwohnungen im Jahre 1924 fertig gestellt worden seien, die 50 Jahre alte Firma S.E. Fireworks jedoch erst 1977 die bestehende Lagerhalle einer ehemaligen Motorenfabrik bezogen habe. Bis 2005 sollten die meisten der billigen Vorkriegshäuser abgerissen werden, und die Firma S. E. Fireworks hatte für das Jahr 2002 ein neues, sicheres Domizil in Aussicht gestellt bekommen.

HENK RAIJER

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