Martyrium und Mysterium

Los Angeles Lakers und Portland stehen sich im Halbfinale der NBA gegenüber

BERLIN taz ■ Bryon Russell ist ein armer Hund. Vor zwei Jahren ging der Forward der Utah Jazz als letzter Gegenspieler von Michael Jordan in die Geschichte der Basketball-Liga NBA ein und hüpfte freundlichst beiseite, als dieser für die Chicago Bulls den meisterschaftsentscheidenden letzten Wurf seiner Karriere versenkte. Am Dienstag war Russell erneut die zentrale Figur, als Utah wieder beim Versuch scheiterte, doch noch einen Titel für die Veteranen Karl Malone, John Stockton und Jeff Hornacek zu ergattern.

Dabei hatte Russell ein glänzendes Spiel gemacht in Partie 5 der Halbfinalserie gegen die Portland Trail Blazers. 18 Punkte hatte er geholt, in der Verteidigung gerackert und viel dazu beigetragen, dass Utah im Rosegarden von Portland 47 Sekunden vor Schluss mit 79:75 führte. Ein sechstes Match in Salt Lake City schien greifbar nah. Doch dann traf erst Rasheed Wallace, und kurz danach ließ Russell Scottie Pippen etwas zu viel Raum. Der versenkte 7,3 Sekunden vor Ende prompt einen Dreier zum 80:79. Alles nicht so schlimm, wäre es nicht ausgerechnet Bryon Russell gewesen, der vier Sekunden später von Detlef Schrempf gefoult wurde und an die Freiwurflinie musste. Beide Versuche gingen daneben, Utah monierte vergeblich, dass Zuschauer an der Korbaufhängung gerüttelt hätten.

Doch Russells Martyrium war noch nicht zu Ende. Nachdem Pippen – mit 23 Punkten, 9 Rebounds und 8 Assists bei weitem der Beste bei den wenig überzeugenden Blazers – per Freiwurf auf 81:79 erhöht hatte, erkor Jazz-Coach Jerry Sloan mitleidlos Bryon Russell zu jenem Akteur, der bei 1,4 verbliebenen Sekunden den letzten Wurf nahm. Dieser ging vorbei und wieder reklamierten die Jazz vergeblich – diesmal ein Foul gegen Russell.

Utah war draußen und das Trio Malone, Stockton, Hornacek baute seine Führung in der Rangliste der Spieler mit den meisten Playoff-Partien, die nie einen Titel gewannen, aus. Für Malone und Stockton war es mutmaßlich die letzte Titelchance, für Hornacek mit Sicherheit. Der 37-Jährige beendet seine Karriere. „Eine üble Art, die Saison abzuschließen“, sagte Karl Malone stellvertretend für alle Jazz-Spieler, „für einen zweiten Platz kriegst du nix in diesem Geschäft.“

Gegner der Portland Trail Blazers im Finale der Western Conference sind ab Samstag die Los Angeles Lakers. Die hatten in Spiel 4 gegen die Phoenix Suns mit 98:117 die vernichtendste Niederlage der Saison kassiert und genügend Wut im Bauch, um es dem Team aus Arizona in Partie 5 der Best-of-seven-Serie heimzuzahlen. In der ersten Halbzeit stellten die Suns mit 23 Punkten den Play-off-Minusrekord der NBA ein, am Ende hieß es 87:65 für Los Angeles. „Dieses Spiel ist ein Mysterium für mich“, sagte Lakers-Coach Phil Jackson angesichts der beiden völlig verschiedenen Matches binnen zwei Tagen. MATTI LIESKE