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Im wilden Bradistan

Der Katholizismus liefert das symbolische Bild, der Islam die imaginären Konflikte, die Familie die reale Lösung: „East is East“ von Damien O’Donnell ist eine turbulente Komödie um eine pakistanische Familie im Norden Englands. Der indische Schauspieler Om Puri ist der Star

von BRIGITTE WERNEBURG

Da trägt eine Gruppe orientalisch anmutender Jungen samt einem Mädchen die Marienstatue inmitten einer Prozession. Doch ganz bei der Sache scheinen sie nicht zu sein, und tatsächlich bemerken sie die typische Hausfrau mittleren Alters sofort, die ihnen an einer Straßenecke Zeichen macht, nicht weiterzugehen. Grund ist ein vereinzelter Mann mit Persianermütze, der dem römisch-katholischen Demonstrationszug entgegenschreitet. Eilig stiehlt sich die Mariengruppe aus der Prozession, um nach der Vermeidung einer Begegnung der unangenehmen Art gleichermaßen elegant wie komisch erneut in ihre Mitte zu stoßen. Zwangsläufig nutzen sie dazu die Straßenführung so geschickt, wie es auch die Kamera tut.

„The Talent“ hieß der Wettbewerb von BBC 2, in dem Damien O'Donnell als Regisseur eines Kurzfilms vorgestellt und von Ayub Khan-Din für die Verfilmung seines gefeierten Bühnenstücks „East is East“ entdeckt wurde. Damien O'Donnell ist ein Talent. Das zeigt der Filmanfang mit der Prozession, der den Zuschauer in einer einzigen Szene über Zeit, Ort, Personen und Probleme der nachfolgenden Geschichte orientiert – und das ausgerechnet im labyrinthischen Gewirr der von ununterscheidbaren Reihenhäusern aus rotem Backstein gesäumten Straßen einer zweifelsfrei englischen Mittelstadt.

Wen man sieht, sind Vater, Mutter und sieben Kinder, kurz: die pakistanische Familie Khan, 1971, in Salford bei Manchester. Inmitten einer Welt von Feinden, die seine Kinder weniger mit Katholizismus denn mit Popmusik, Mode und Sex verführt, sucht Vater George verzweifelt die muslimische Ordnung aufrechtzuerhalten. Doch ausgerechnet er hat just mit dieser Welt schon heftig kollaboriert. Vor fünfundzwanzig Jahren, als George Khan nach England ging, ließ er nämlich seine Frau in Pakistan zurück. Er heiratete ein weiteres Mal, Ella (Linda Bassett), eine waschechte Britin, nun die Mutter seiner sechs Söhne und einer Tochter. Es war, so wirkt es, wenn die beiden in ihrer Fish-and-Chips-Bude stehen, eine Liebesheirat. Doch die soll es für seine Kinder so nicht geben. Da steht die pakistanische Gemeinde mit ihrem Bemühen um wohl arrangierte Ehen im Norden von England, wo eine Stadt wie Bradford Bradistan heißt, davor.

Man kann sich die Verwicklungen ohne weiteres ausmalen, in die die Familie Khan und ihre heiratsfähigen, aber -unwilligen Söhne da geraten. Man muss es allerdings schon sehen, wie der indische Schauspieler Om Puri den Vater zum Ereignis macht; er ist ein aufgeblasener Patriarch und doch ein sympathisch zerstreuter Vater, der es nicht schafft, den Überblick über seine Mannschaft zu halten. (Weshalb unter anderem der jüngste Sohn Saijd nicht beschnitten ist – was es auch noch nachzuholen gilt.) Om Puri als George ist ein Liebender, der seine Frau dennoch schlägt, ein Würstchen, wenn die pakistanischen Älteren vor ihm aufmarschieren, und doch ein Mann, der seinen angst- und schuldgeborenen Konservatismus zu überschreiten vermag.

Und das ist vielleicht das Faszinierendste an Damien O'Donnells und Ayub Khan-Dins Film: Die Frage der Identität wird gar nicht so sehr an den assimilationswilligen Kinder diskutiert, denen der heftige und auch deftige Komödienaspekt des Films zufällt, wenn sie zwischen Mutterland und dem Gesetz des Vaters hin- und hergerissen sind. Sie stellt vielmehr angesichts des Vaters, der den sturen, tragischen Part hat, und der Mutter, deren Grenzen der Anpassung an den Ehemann ihr plötzlich mit brutaler Gewalt deutlich werden.

Diese Verschiebung aber gelingt es Damien O’Donnell dem Zuschauer in den raffinierten Winkelzügen seiner Geschichte zuerst zu verbergen, um sie zugleich offen zu legen – analog zur Eingangsszene. Und da war sie schon, die Khansche Familiendynamik: der vereinzelte Mann mit Persianermütze, der die Kinder nicht zu sehen bekommt, die die Mutter Gottes lästerlich stolz durch die Straßen ihrer Heimatstadt tragen; und die mit dieser Vereinnahmung von Ella davonkommen. Damien O'Donnell ist ein talentierter Regisseur – und er ist Ire. In seiner muslimischen Tragikomödie „East is East“ meint das vielleicht ein und dieselbe Begabung.

„East is East“, Regie: Damien O'Donnell. Mit Om Puri, Linda Bassett, u.a., GB 1999, 96 Min.

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