: Ein Hauch von Glass
Zombie-Girls sagen manchmal „Oh, my God!“: Richard Maxwells „Showy Lady Slipper“ im Hebbel-Theater
Schon letzten Sommer war die Begeisterung für „House“ beim „Theater der Welt“ groß. Jetzt ist im Hebbel-Theater zum zweiten Mal ein Stück des 31-jährigen New Yorker Schriftstellers und Regisseurs Richard Maxwell zu sehen: mit diesen merkwürdig leblosen Figuren, die monoton und völlig emotionslos ihre Texte sagen. Texte, die einen schrecklich trostlosen Alltag spiegeln, in dem die Menschen ihr Leben verloren haben und bloß noch als sprechblasende Zombies herumlaufen. Tragisch, aber auch ziemlich komisch.
„Showy Lady Slipper“ funktioniert nicht anders. Ein auf die Wand gemaltes Zimmer mit Holzpaneel, Blümchentapete und Esstisch, auf dem gemalte Sonnenblumen liegen. Davor tauchen drei echte junge Frauen auf, die trotzdem nicht so recht lebendig wirken: Lori (Sibyl Kempson), Erin (Ashley Turba) und Jennifer (Jean Ann Garrish), die in diesem Zimmerchen wohl zu Hause sind. Das Telefon klingelt. Ein gewisser John kündigt sich an, und bis er da ist, reden die drei miteinander, aber eigentlich nebeneinander her: über Musik, Väter, Boyfriends, Pferde, Träume und irgendwie kommt auch die Freiheit vor.
Dabei bewegen sich die Mädchen kaum, sprechen ohne innere oder äußere Erregung. Ihre Gesichter sind von einer merkwürdigen Dumpfheit beseelt. Fast leuchtet Leere aus ihnen. Das Maximum der Erregung ist ein mechanisches „Oh, my God!“ oder ein tonloses „ha, ha“. Manchmal endet ein Dialog mit einem kleinen Lied (Musik: R. Maxwell), mit piepsiger Stimme und manchmal ziemlich falsch gesungen. Dabei: ein Hauch von Kirchenchor und auch ein Hauch von Philip Glass.
In langen Pausen, die Maxwell mitunter zwischen zwei belanglose Sätze schiebt, in denen dann die drei Mädchen mit ihren albern modischen Klamotten bewegungslos ins Leere gucken, tun sich die Abgründe auf, in die Menschen einmal stürzten, als es noch Tragödien gab. Aber hier stürzt keiner mehr, und das ist schlimmer als die tragischste Tragödie. Hier geht alles immer weiter. Auch als John (Jim Fletcher) kommt, der Loris Lover ist. „Give me a hug!“, sagt sie, und er umarmt sie steif. Später macht er ein bisschen mit Jennnifer rum. Am Ende ist er tot, verunglückt wegen einer inneren Erregung, von der man außen überhaupt nichts sah. Die Mädels erfahren vom Unglück am Telefon und sagen bloß wieder tonlos: „O God!“
Die ersten zwanzig Minuten ist das alles noch sehr aufregendes, dichtes Theater. Innerlich holt man schon zur Hymne aus, denkt an Gertrude Stein und auch daran, was Richard Maxwell wohl mit einem Text von Sarah Cane anfangen würde. Aber dann hebt der Abend nicht so richtig ab, weil Maxwells Spielart doch ein bisschen zur Masche wird und auf der Stelle tritt. Nach einer Stunde, als die „Showy Lady Slippers“ (was im Amerikanischen irgendeine Prärie-Blume bezeichnet) sich scheu lächelnd vor dem Publikum verbeugen, ist man immer noch ziemlich zufrieden. „House“ im letzten Sommer war trotzdem besser. ESTHER SLEVOGT
Bis 28. 5. im Hebbel-Theater, 20 Uhr (Publikumsgespräch am 27. 5. nach der Vorstellung)
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen