: Regierung kündigt Schweizer Fliegern
Flughafen Zürich: Künftig sollen weniger Starts und Landungen über Süddeutschland führen
BERLIN taz ■ Um Lärm durch Anflüge auf den Flughafen Zürich über deutschem Gebiet zu verringern, hat das Bundesverkehrsministerium gestern zum Mai 2001 die Verwaltungsvereinbarung mit der Schweiz gekündigt, in der die An- und Abflüge über Süddeutschland geregelt sind. Die Kündigung soll offenbar die Verhandlungen über einen neuen Staatsvertrag beschleunigen, die seit 1998 ohne Ergebnis geblieben sind.
Bisher erfolgt der Anflug auf den Flughafen Zürich-Kloten in 95 Prozent der Fälle über deutsches Gebiet. Am stärksten betroffen ist die Gemeinde Hohentengen, die 15 Kilometer vom Flughafen entfernt in der Haupteinflugschneise liegt. Für besondere Verärgerung sorgt hier, dass die Schweiz alle Nachtflüge grundsätzlich Richtung Deutschland starten lässt – mit Rücksicht auf die Bewohner Zürichs. Auch hält sich der Flughafen nicht an die Zusage, die Landebahnen gleichmäßiger zu nutzen.
Seit über 30 Jahren drängen die Bewohner der Grenzregion darauf, den Lärm zu reduzieren – bislang erfolglos. Unter den CDU-Verkehrsministern sei das Problem nie in Angriff genommen worden, klagt Hohentengens ebenfalls christdemokratischer Bürgermeister Martin Benz.
Doch seit dem deutschen Regierungswechsel gibt es für die Menschen am Hochrhein Hoffnung, dass der Lärm bald weniger wird. Der Forderungskatalog der Bundesregierung sieht eine Reduzierung der Anflüge über Deutschland von 140.000 auf 80.000 pro Jahr vor, außerdem ein völliges Verbot von Flügen zwischen 21 und 7 Uhr sowie am Wochenende.
Während sich Bürgermeister Benz „hoch erfreut“ über diese Vorschläge äußert, hat das Schweizer Verkehrsministerium sie bislang entschieden zurückgewiesen. Doch durch die Kündigung der Verwaltungsvereinbarung aus dem Jahr 1994 wird ab Mai nächsten Jahres die rechtliche Grundlage für das Überfliegen Süddeutschlands fehlen. Daher ist die Regierung in Bern nun gezwungen, sich mit Berlin zu einigen. Freitag soll die nächste Verhandlungsrunde stattfinden.
Der Schweizer Bundesrat für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, Moritz Leuenberger, äußerte sein „Bedauern“ über die Kündigung der Vereinbarung. Wenn die deutschen Vorschläge im nächsten Jahr umgesetzt würden, hätte dies wirtschaftlich verheerende Auswirkungen für den Züricher Flughafen, meinte Leuenberger.
Eigentlich plant die Schweiz derzeit eine massive Ausweitung des Flugverkehrs in Zürich-Kloten. In der laufenden Ausbaustufe sollen 27 neue Abflugplätze gebaut werden. Bis zum Jahr 2010 plant man die Zahl der jährlichen Abflüge auf 210.000 zu erhöhen. Doch wenn künftig weniger über Deutschland eingeflogen werden kann, haben die Verantwortlichen ein Problem: In der alternativen Flugschneise über schweizerischem Gebiet wohnen viele einflussreiche Politiker. MALTE KREUTZFELDT
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