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Ein neues Verständnis von Gesundheit

Mit 500 Veranstaltungen soll die Tradition des Gesundheitstages aus den 80er-Jahren wieder belebt werden

Frust herrscht an allen Fronten: Das Verhältnis von Ärzteschaft und Gesundheitsministerium ist gespannt. Der Patient wird immer mehr zur Nebenfigur. Perspektiven gibt es wenige. Das soll sich ändern: Der Gesundheitstag 2000, der heute eröffnet wird, will ein neues, positives Verständnis von Gesundheit vermitteln, dass sich nicht mehr auf die Bekämpfung von Krankheit fixiert, sondern sich an den persönlichen und gesellschaftlichen Gesundheitsressourcen der BürgerInnen orientiert. „Wir wollen eine integrierte Heilkunde“, sagt Mitinitiator Ellis Huber, „in der alles Bewährte aus der Schulmedizin, der alternativen Heilkunde und der modernen Gesundheitsforschung vereint wird.“ Hehre Ziele formuliert der ehemalige Präsident der Berliner Ärztekammer und heutige Geschäftsführer der Securvita-Krankenkasse.

Dementsprechend vollgepackt ist auch das Programm. Auf rund 500 Veranstaltungen werden die verschiedensten gesundheitlichen Bereiche präsentiert. Um Perspektiven eines gesunden Lebens in Bezug auf Stadtplanung geht es, um PatientInnenrechte, aber auch Datenschutz und Genmanipulation sind Thema. Elektrosmog wird untersucht und nachgefragt, warum „vergnügte LehrerInnen“ gesünder leben.

Und weil die ganzen Veranstaltungen nicht folgenlos bleiben sollen, findet jeden Tag ein „Gesundheitsparlament“ statt. Dort diskutieren 100 bis 150 Vertreter von Bürgerinitiativen, Verbänden und freien Trägern eine „Berliner Charta für ein soziales Gesundheitswesen“. Die wurde von Ellis Huber entworfen und birgt reichlich Konfliktstoff. Neben dem Leitbild „für einen Gesundheitsdienst in sozialer Verantwortung“ soll darüber debattiert werden, ob das Honorarsystem für Ärzte radikal geändert werden muss. Huber schlägt vor, dass Ärzte ein Pauschalhonorar erhalten sollen, das sich nach der aufgewendeten Betreuungsarbeit richtet. „Zeithonorare geben den ÄrztInnen den Freiraum, ihrer eigentlichen Profession nachzugehen und sich um die Gesundheit ihrer Patienten ganzheitlich zu kümmern.“

Auch das Krankenversicherungssystem muss nach Ansicht Hubers neu gestaltet werden. So soll es eine solidarisch finanzierte „Gesundheitsversicherung“ geben, die die Basisversorgung abdeckt. Eine private Zusatzversicherung soll zusätzliche Bedürfnisse abdecken.

Für Huber ist das Gesundheitsparlament „ein gesellschaftspolitisches Spiel“, das „heftige Kontroversen mit sich bringt“. Er hofft darauf, dass der Gesundheitstag ein ähnliches gesellschaftliches Echo auslösen wird wie 1980. Damals organisierten sich in Westberlin 12.000 Menschen aus dem Gesundheitsbereich, um eine Gegenveranstaltung zu dem „völlig verkrusteten, mit einem bornierten Selbstverständnis ausgestatteten“ Ärztetag zu etablieren.

Als Folge entstanden Gesundheitsläden, alternative Sozialstationen und Selbsthilfegruppen in ganz Deutschland. Zum zweiten Gesundheitstag 1981 in Hamburg trafen sich 18.000 Menschen. Doch die Treffen stagnierten genauso wie die meisten anderen sozialen Bewegungen in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre. Nach Kassel kamen 1987 nur noch 2.000 Interessierte.

Nach Ansicht Hubers ist jetzt wieder ein geeigneter Zeitpunkt, sich neu zu organisieren. „Die Hoffnung, die wir in Rot-Grün hatten, hat sich nicht realisiert“, konstatiert der Mediziner. Jetzt müsse man sich unabhängig organisieren. Auf dem Gesundheitstag werden 2.000 BesucherInnen erwartet. JULIA NAUMANN

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