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Die Berliner schauen weg

Asylbewerber werden auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld miserabel behandelt

BERLIN taz ■ Während das so genannte Flughafenverfahren in Frankfurt am Main inzwischen heftig umstritten ist, interessiert die Öffentlichkeit die Behandlung der Asylsuchenden auf anderen deutschen Flughäfen bislang nur wenig. Dabei ist die Situation für neu ankommende Flüchtlinge in Berlin-Schönefeld, Düsseldorf, Hamburg und München weitaus problematischer. Denn anders als in Frankfurt haben in Berlin-Schönefeld nichtstaatliche Einrichtungen wie der Flughafensozialdienst keinen Zugang zu den Transiträumen, in denen die Asylsuchenden tage- und wochenlang festgehalten werden.

Seit die Brandenburger Landesregierung 1996 dem von den Kirchen getragenen Flughafensozialdienst in Schönefeld die Gelder entzogen hatte und stattdessen Beamte des Innenministeriums einsetzte, dringen keine Informationen mehr nach draußen. Selbst Vertreter der Berliner Grünen und der PDS wissen inzwischen nicht einmal mehr, ob es in Schönefeld überhaupt ein Flughafenverfahren gibt.

Eine Ortsbesichtigung würde sich für die Politiker lohnen. Denn die Zustände sind miserabel. „Der so genannte Transitraum ist eine etwa dreißig Jahre alte Baracke, die nicht zum Wohnen, sondern nur zum Abriss geeignet ist“, beschreibt der Berliner Rechtsanwalt Harald Schandl die Schönefelder Unterkunft. Schandl ist der erste Anwalt seit 1996, der einen Insassen im Transitbereich juristisch vertritt und dem deshalb der Zutritt zu den Räumlichkeiten gestattet werden musste. Grundlage ist ein Vertrag des Bundesgrenzschutzes (BGS) mit dem Berliner Anwaltsverein vom Dezember letzten Jahres. Danach muss der BGS einen Anwalt hinzuziehen, falls ein abgelehnter Asylbewerber den Wunsch äußert, gegen seinen Asylbescheid zu klagen. Damit wurde auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1996 reagiert, das eine unabhängige Beratung im Flughafenverfahren vorschreibt.

Schandl kritisiert das Fehlen des Flughafensozialdienstes in Schönefeld: „Es ist mehr als misslich, dass der Dienst vom Flughafenverfahren ausgeschlossen ist. Für die Menschen, die neu hier ankommen, ist eine Rechtsberatung vor Beginn des Asylverfahrens unumgänglich.“ Lange Aufenthaltszeiten wie in Frankfurt gibt es auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld nicht. Wo eine kritische Öffentlichkeit fehlt, lässt es sich offensichtlich schneller abschieben. Nach Angaben des Brandenburger Innenministeriums waren die meisten Asylsuchenden im vergangenen Jahr nach einem bis acht Tagen wieder außer Landes gebracht.

Der Berliner Abgeordnete Hartwig Berger (Grüne) verurteilte gestern die Zustände in den Abschiebegefängnissen der Stadt als „Menschenrecht verletzend“. Misshandlungen seien alltäglich und Hungerstreiks ein Dauerzustand. MARINA MAI

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