: Werbeschmaus am Tisch
■ Bremens Mensen müssen sparen: Insgesamt 12.000 Mark kosteten die Servietten bisher pro Jahr / Jetzt werden die Schlabberlätzchen durch Werbeanzeigen finanziert
Klar. Das Studentenleben ändert sich. Besonders rasant erst seit der Eröffnung der neuen Mensa an der Bremer Uni: Erst hielt die Mensa-Card zwangsweise Einzug im Studentenleben. Und dann wurden die Mensa-Servietten zu Werbeträgern umfunktioniert. Mit buntbedruckten Anzeigen für ein strahlendes Lächeln nach dem Spaghetti-Spaß, heißt ab jetzt die Devise im Studentenwerk.
Denn das spart Geld. Bislang zahlte das Studentenwerk jährlich 12.000 Mark für das Wisch-und-Weg-Papier in den Mensen von Hochschule und Uni. 12.000 Mark war allerdings schon die billigste Variante. Die Servietten demensprechend klein, so dass sie gleich päckchenweise abgegrabbelt wurden, um auch nur annähernd Erfolg gegen die Tomatensoße zu haben.
Seit April sind solche Sorgen quasi vergessen: Seitdem stapelt sich die quadratische handelsübliche Groß-Serviette in den Bremer Mensen. Kostenpunkt: Irgendwo zwischen 20.000 und 25.000 Mark, schätzt Christian Rohlfing, Leiter des Studentenwerks. Die bleiben dem Studentenwerk allerdings durch einen Werbefeldzug erspart: Um die zehn Werbeträger finanzieren allmonatlich neue Großservietten, um beim Mensaessen Appetit auf mehr Kommerz machen: CDs zum Beispiel oder Motorräder (Harley Davidson, 21.900 Mark), auch Regalsysteme (nordisches Massivholz zwischen 99 und 149 Mark) werden angepriesen.
Jeden Monat neue Logos, 150.000 Mundkontakte vom Studi bis zum Prof, verspricht Servietten-Vermarkter Helge Henke seinen Inserenten: „Günstige Preise bei hoher Auflage“. Trotzdem zögerten die Kunden anfangs: „Viele hatten ein Problem, dass mit ihren Namen der Mund abgewischt wird“, erinnert Henke. Der seine Idee allen Sorgen entgegnend „KulturServiette“ taufte und neben Mensen auch Hotels bedient – wohlweislich mit dezenteren Werbeservietten. Und sich mittlerweile zum Teil über „enome Anfragen“ freut.
Doch die neue Marketingmasche der Mensen stößt nicht „bei jedem auf Gegenliebe“, weiß Studentenwerks-Leiter Rohlfing. Vereinzelt gab es Protest, ein paar waren verärgert, aber die meisten Esser „guckten eher erstaunt“, meint der Kantinen-Boss. Der keine „Berührungänste hat, wenn es darum geht, im Interesse der Studierenden Kosten zu sparen“. Seine Kollegen quer durch die Republik hätten die Werbetücher schon vor Jahren eingesetzt.
Beim AStA der Bremer Uni ist man anderer Meinung: „Auch wenn uns die gesparten Mark zu gute kommen sollen – das muss man abkoppeln von kommerzieller Werbung“, kritisiert Christiane Ahlisch.
Ein Problem für Mundhyghiene ist die Druckerschwärze dagegen nicht. Lebensmittelecht sind die Farben. Und: „Der Aufdruck bleibt an den Servietten haften und nicht am Mund“, verspricht Henke. Außerdem sind die Servietten im Supermarkt doch auch so bunt – „ganz doll zu Ostern und Weihnachten“ – rechtfertigt Rohlfing den Vier-Farb-Druck zwischen den Mahlzeiten. Und wenn auch die Psyche eine Rolle spielt beim Essen: Die Werbesensiblen Mensagänger könnten das Mundtuch zweimal aufklappen und die „unbedruckte Seite“ nehmen, rät Rohlfing.
Die Werbeservietten sind aber noch lange nicht alles, was sich für Mensafans ändern wird. Auch auf Porcellan-Bechern ist Werbung möglich. „Da wollen wir irgendwann einsteigen“, erklärt Rohlfing. Noch sind die Tassenlager für zwei bis drei Jahre voll. Dann könnten die Werbe-Embleme auch auf Bechern landen. pipe
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