Stromkonzerne dürfen’s tun

Fusion von Veba und Viag zum Stromriesen Eon genehmigt. EU-Kommission fordert aber Abschied aus Ostdeutschland. Minister Müller sucht Nachfolger

BERLIN taz ■ Die Europäische Kommission genehmigte gestern die Fusion zwischen den Konzernen Veba (Essen) und Viag (München) zu einem der größten Stromproduzenten der Republik. Als direkte Folge des vor zwei Jahren eingeführten Wettbewerbs auf dem deutschen Strommarkt dürfen nun neue Großkonzerne entstehen.

Zu viel Wirtschaftsmacht soll aber nicht sein: Die Kommission verordnete in ihren Auflagen, dass sich Veba und Viag, die in Zukunft gemeinsam Eon heißen, von mehreren Beteiligungen an anderen Unternehmen trennen müssen – unter anderem von der ostdeutschen Veag.

Die Wettbewerbsbehörde in Brüssel befürchtete, dass die beiden größten Konzerne den Strommarkt beherrschen könnten: Veba/Viag einerseits, andererseits RWE und VEW, die ebenfalls fusionieren wollen. Beide Konglomerate hätten auch das Schicksal des ostdeutschen Versorgers Veag bestimmt, bei dem sie noch die Mehrheit halten. Nach dem Fall der Mauer hatte die CDU-Bundesregierung den vier West-Konzernen, außerdem HEW und EnBW, das gesamte Versorgungsgebiet in Ostdeutschland übertragen.

Von der Veag verabschieden sich Veba und Viag mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Durch den erzwungenen Ausstieg bleibt ihnen die Beteiligung an Kosten von bis zu acht Milliarden Mark erspart. Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) hatte mit den Unternehmen einen Stabilitätspakt ausgehandelt, um die Verluste zu verteilen, die die Veag infolge sinkender Strompreise und ihres hohen Anteils an teurem Braunkohlestrom erwirtschaftet. Andererseits müssen die Westkonzerne nun endgültig auf mögliche Gewinne verzichten, die der Oststrom ihnen später noch hätte einbringen können.

Wirtschaftsminister Müller steckt nun in der Bredouille. Weil die Brüsseler Kommission und auch das Bundeskartellamt die Fusion von RWE und VEW ähnlich beurteilen dürften wie den Fall Veba/Viag, kommen dem Minister die Vertragspartner des Stabilitätspaktes abhanden. Zwar will Müller die acht Milliarden Mark auch den zukünftigen, neuen Eigentümern der Veag, etwa dem interessierten US-Konzern Southern Company, aufbürden. Ob er damit durchkommt, erscheint allerdings fraglich. Nach der Entscheidung der Brüsseler Kommission muss er also nicht nur schleunigst neue Anteilseigner für die Veag besorgen – sondern eventuell auch einen Teil der Verluste selbst tragen.

Neben der Veag müssen sich Veba und Viag nach Brüsseler Willen auch von ihrer Beteiligung am Hamburgischen Energieversorger HEW, der Berliner Bewag und den VEW trennen. Außerdem hat Eon zugesichert, auf Transportkosten zwischen Nord- und Süddeutschland zu verzichten, wenn kleine Stromproduzenten ihre Energie durch die Leitungen der Großen zum Kunden schicken.

Durch die Fusionen und den Abschied aus Ostdeutschland gewinnen die Stromgiganten freie Mittel, um in andere europäische Staaten auszugreifen. Nach Meldungen verhandelt Eon bereits mit dem französischen Unternehmen Suez Lyonnais des Eaux, um dem europäischen Branchenführer Electricité de France auf die Pelle zu rücken. Auch RWE sucht im Ausland.

HANNES KOCH