village voice: Label-Compilations vom WMF und Dutzend Records
München ohne München
Alle Welt motzt, Berlin werde munichfiziert. Das will keiner haben. Hauptstadt ja, Glamour auch, aber München – nein. Alles ist nicht mehr abgerockt genug, alles zu geleckt, alle Welt arbeitet nicht nur in Agenturen, sondern sieht auch noch so aus und verhält sich auch so.
Die Zentrale dieser München-ohne-München-Fraktion ist das neue WMF, der beste Club Europas für alle, die nie den inneren S-Bahn-Ring verlassen. 21st-Century-Clubbing. Das volle Programm. Der Laden, wo Kate Moss zur Eröffnung erscheint, wo Ulf Poschardt die Optionsscheine auf seine Abfindung vertrinkt und Benjamin von Stuckrad-Barre gesehen wird, wie er Eintritt bezahlt.
Bisher hatte das WMF immer eine ambulante Soundpolitik. Das, was gerade der Sound der Stunde war, wurde gespielt, und da das immer mehrere sich widersprechende Musikstile waren und das Wochenende ja auch mehrere Tage hat, ergänzte sich das prima, und alle waren zufrieden, weil sich jeder aussuchen konnte, was er oder sie haben möchte.
Die Zeiten sind nun vorbei, denn nun gibt es die Compilation zum Club: „Nighteffect.01“. Das WMF definiert sich einen Sound. Ob das gut ist oder schlecht für den Club, wird sich herausstellen, ob er sich ähnlich wird festlegen müssen wie der Tresor oder ob nicht – für alle, die die Platte haben, ist es auf jeden Fall gut, denn die Platte ist prima. Zusammengestellt von Highfish, einem der beiden Resident-DJs des Samstags. Ein DJ, der zum einen dadurch auffällt, dass er die Tracks seiner Compilation so unglaublich super findet, dass er sie im Laufe eines Sets meistens mehrmals spielt. Und zum anderen dadurch, dass er am liebsten Musik aus den Achtzigern spielt oder Tracks, die zumindest durch Musik aus den Achtzigern inspiriert sind.
Auf der Compilation sind natürlich auch noch andere Stücke, von Pole etwa oder den unvermeidlichen Chicks On Speed, aber die kommen ja auch aus München.
Ohne München würde es diese Platte nicht geben, das ganze Achtziger-Revival nahm dort seinen Ausgang, mit einem Track namens „Space Invadors Smokin Grass“ von I-F. Mit International DeeJay Gigolo widmet sich ein ganzes Label diesen Klängen, und der Macher dieser Plattenfirma, DJ Hell, ist wiederum gern gesehener und häufiger Gast hinter den Plattenspielern des WMF. Und dieses Stück wiederum ist in einem neuen Mix auf der „2080“-Compilation, die auf Dutzend Records erscheint, einem weiteren neuen Label.
„2080“ fasst noch einmal alles zusammen, was in den letzten Monaten an Neo-Electro zu hören war, und – man wagt es ja kaum zu schreiben – es fängt an mit Consoles „14 Zero Zero“, das klingt, als sei es für Highfish erfunden worden. Alles Zufälle?
Sind es natürlich nicht. Die besten Partys im WMF sind immer die DeeJay-Gigolo-Sonntage nach der Love Parade. Nicht nur deswegen, weil dort ebenjener Sound gespielt wird, sondern vor allem, weil sich das WMF immer dann gnadenlos mit echten Münchner Ravern munichfiziert, die trotz erhöhtem Verstrahlungsgrad mit katholischem Furor noch einmal loslegen, dass den protestantischen Berlinern die Luft wegbleibt.
Stimmt ja alles gar nicht, werden nun einige einwenden. Dann und dann haben wir schon Electro-Maxis auflegen gehört, hier in Berlin, auf die Münchner und deren Zustände können wir gut verzichten – aber das gilt nicht.
Denn erstens hat früher, in den frühen Achtzigern, die ganze Welt schon Electropop gehört. Und zweitens bedeutet besser wissen gar nichts, besser machen dagegen alles.
TOBIAS RAPP
„Nighteffect.01“ (wmfrec/Efa)und „2080 – Eighties Now“(Dutzend Rec.) Heute Nacht ab 0 Uhr Record Release von Nighteffect.01 im WMF, Ziegelstraße 5, Mitte, mit Highfish, Dirringer, Farben, Antonelli Elec u. a.
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