Artenschutz für Steinbach

Die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen gilt in ihrer Wahlheimat Bundesrepublik als eine „echte Deutsche“. Doch jetzt wird an ihrem Vertriebenenstammbaum gesägt

Richtige Reaktionäre werden immer seltener, weshalb man sie unter Artenschutz stellen sollte, denn solche Leute haben es in Zeiten von Schröder, Schily, Scharping und Fischer sehr schwer. Gegen die rot-grüne Regierung zu wettern, ist jedenfalls nicht leicht, wenn die Differenz zu den eigenen rechtskonservativen Vorstellungen immer geringer wird. Diese Erfahrung musste die Präsidentin des Bunds der Vertriebenen, Erika Steinbach, machen, die als „neue Galionsfigur des konservativen Flügels“ ihrer Partei gilt. In einem Interview mit der jungen Freiheit, das allerdings genauso in der Kommune oder einem anderen regierungsnahen Blatt hätte stehen können, stellte Steinbach ebenso irritiert wie befriedigt fest, dass Schily die Mittel für den Vertriebenenverband nicht kürze. „Der Innenminister sagte mir in einem persönlichen Gespräch, dass es in der Vergangenheit in dieser Frage Fehler gegeben habe und dass er für die Zukunft ein konstruktives und vertrauensvolles Verhältnis mit dem Bund der Vertriebenen möchte.“

Bei diesen netten Kuscheleien mit dem Innenminister, der ihr auf jeder Vertriebenenveranstaltung als Vertriebenenmutti den Rang ablaufen würde, hat es Erika Steinbach als „echte Deutsche“ wirklich schwer. Da setzte sie sich als Mitglied des Innenausschusses jahrelang für die Verschärfung der Asylpolitik und der Verbrechensbekämpfung ein, und dann verwirklicht ausgerechnet ein Ex-Grüner ihre Träume. Und auch als sie „die Gewalt gegen Ausländer in Hoyerswerda“, wie sie den Tatbestand des versuchten Mordes unnachsichtig brandmarkt, mit deren Existenz begründet, beeilt man sich parteiübergreifend, ihrer scharfsinnigen Logik zu folgen und eine neue Asylgesetzgebung zu verabschieden. Selbst ihr geplanter, aber nicht zustande gekommener öffentlicher Protest gegen die Wehrmachtsausstellung hatte letztlich Erfolg.

Bei so viel Verständnis im eigenen Land ist wenigstens noch auf die Tschechen und Polen Verlass, die sich laut Steinbach hartnäckig weigern, „das Vertreibungsunrecht aufzuarbeiten“. Jerzy Haszczynski, der Berliner Korrespondent der Rzeczpospolita, einer in den Augen Steinbachs schon aufgrund des zungenbrecherischen Namens nicht sonderlich vertrauenerweckenden Zeitung, brachte laut SZ in Erfahrung, dass die „personifizierte Vertriebene“ gar keine echte Vertriebene ist. Zwar ist sie in Westpreußen geboren, aber erstens in einem Gebiet, das schon vor dem Zweiten Weltkrieg zu Polen gehörte, aus dem man deshalb nur als unerwünschter Ausländer abgeschoben, aber nicht vertrieben werden kann, und zweitens „als Tochter eines dort zufällig stationierten Soldaten der Wehrmacht“ (SZ), deren Mutter es auch erst Anfang der Vierzigerjahre in diese Gegend verschlagen hatte. Dennoch klammerte sich Steinbach an ihren Vertriebenenstammbaum, ihre Identität, denn ohne wenigstens etwas vertrieben zu sein, ist sie nichts. Aber jetzt stellte sich auch noch heraus, dass der aus Schlesien stammende Großvater während des Ersten Weltkriegs freiwillig und wahrscheinlich als das, was Steinbach heute einen Wirtschaftsflüchtling nennen würde, in den freien Westen gezogen ist.

Auf diese fiese Weise ihres Daseinsgrundes beraubt, suchte sie Zuflucht in der Vertreibung als „gesamtdeutsches Schicksal“, denn bekanntlich wurden die Deutschen ja aus halb Europa vertrieben. Und außerdem: „Um sich gegen das Abschlachten von Walen einzusetzen, muss man kein Wal sein.“ Gern aber wäre sie einer, und man muss zugeben, dass es sich unter diesen Umständen einmal um einen ehrenvollen und nützlichen Beruf gehandelt hätte. So aber muss Polen Wiedergutmachung leisten und die nunmehr hilflos Umherirrende in ihre schlesische Wahlheimat zurückführen. Dort jedenfalls ließe sich bestimmt eine sinnvollere Betätigung finden, als für das Recht von Deutschen einzutreten, in den verrotteten Osten zurückzukehren. Denn wer will schon freiwillig nach Estland oder Rumänien, die begreiflicherweise jeden Deutschen nehmen? Wenn schon, dann müssten die Vertriebenen vielmehr zur Rückkehr gezwungen werden, wobei sich über die Folgen der dann einsetzenden geistigen Kontaminierung nur noch Polen und die Tschechen im Klaren zu sein scheinen. KLAUS BITTERMANN

Zitat:„Um sich gegen das Abschlachten von Walen einzusetzen, muss man kein Wal sein“, meint die Berufsvertriebene, die nicht vertrieben wurde