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Kein Rezept gegen Menschenschmuggel

Abschreckung soll illegalen Grenzübertritt unterbinden. Verschärfte Asylpolitik nach deutschem Muster in Großbritannien

DUBLIN taz ■ Die Länder der Europäischen Union müssen bei der Bekämpfung des Menschenschmuggels enger kooperieren. Das forderte der britische Premierminister Tony Blair gestern als Konsequenz aus dem grausigen Fund von Dover, wo 58 illegale Einwanderer in einem Kühlcontainer tot – offenbar erstickt – nach der Überfahrt über den Kanal angekommen sind.

Nick Hardwick vom britischen Flüchlingsrat sagte, seine Wut richte sich gegen die rücksichtslosen Schmugglerbanden. Er fügte jedoch hinzu: „Man sollte jetzt einen Moment innehalten und überlegen, wie man auf vernünftigere Weise die Ursachen für die Migration angehen kann.“

Wer im Vereinigten Königreich einen Asylantrag stellen will, muss erst mal ins Land gelangen, und das ist fast nur auf illegalem Weg möglich. In den ersten vier Monaten dieses Jahres beantragten knapp 25.000 Menschen Asyl. Das sind gut 20 Prozent aller Anträge, die in der EU gestellt werden. Da die britische Statistik nur die Zahl der Asylanträge – Familien können einen gemeinsamen Antrag stellen – erfasst, liegt die tatsächliche Zahl wohl um 30 Prozent höher. Im vorigen Jahr sind 46 Prozent aller Anträge abgelehnt worden.

In Großbritannien gibt es nach Schätzungen der Polizei rund 50 Organisationen, die sich auf Schlepperei spezialisiert haben. Viele sind vom Drogen- auf den Menschenschmuggel umgestiegen, weil die Profite hoch und die Strafen relativ niedrig sind.

Um den Menschenschmuggel zu unterbinden, hat die britische Regierung im April ihre Asylgesetze nach deutschem Vorbild verschärft, um möglichst viele Asylbewerber abzuschrecken: Alle Regionen müssen Menschen aufnehmen, statt Sozialhilfe erhalten die Antragsteller Gutscheine im Wert von 35 Pfund in der Woche. Wechselgeld auf die Gutscheine gibt es nicht, bei der Wohnortwahl haben die Asylbewerber kein Mitspracherecht. In Deutschland habe das funktioniert, sagte Innenminister Jack Straw. Dort sei die Zahl der Anträge von 450.000 im Jahr auf 90.000 gesunken. Das neue Gesetz sieht auch verschärfte Kontrollen und hohe Geldstrafen für Lastwagenfahrer vor, die versuchen, Leute ins Land zu schmuggeln. Wenn ein Fahrer erwischt wird, muss er pro Flüchtling 2.000 Pfund Strafe zahlen. Lastwagenfahrer monieren jedoch, dass sich Flüchtlinge oftmals unbemerkt im Laderaum verstecken. Roger King vom Verband der Spediteure sagte, mit Geldstrafen sei nichts zu erreichen, die Regierung schleiche sich aus der Verantwortung. „Die britische Regierung muss mit den französischen und belgischen Behörden zusammenarbeiten“, sagte er. Geoff Dossetter vom Frachtgutverband meinte: „Hätte man diese Leute in Zeebrügge gefunden, wären einige von ihnen vielleicht nicht diesen furchtbaren Tod gestorben.“

Straw sagte, er habe die Behörden in Calais bereits mehrfach aufgefordert, ihre Sicherheitsvorkehrungen zu verbessern. Großbritannien will in den nächsten Monaten in Harwich und Dover Röntgengeräte zum „Scannen“ der Lkws aufstellen. Eine der Firmen, deren Angebote zur Zeit geprüft werden, ist „American Science and Engineering“, deren Geräte bereits die Grenze zwischen Mexiko und den USA überwachen. Allerdings schaffen sie nur 15 bis 20 Lastwagen pro Stunde. Allein in Dover kommen täglich 7.000 Lkws an.

So muss sich der Zoll auch künftig auf seine eigenen Recherchen verlassen. „Es gibt bestimmte übereinstimmende Faktoren beim Schmuggel jeder Art von Waren“, sagte der Sprecher Nigel Knott, „seien es Drogen, Alkoholika oder Menschen.“ RALF SOTSCHECK

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