Der abgeschlossene Roman: Mysteriöses Erbe
■ Wir erzählen weiter, wo der Klappentext endet. Heute: Liebe Verwandte
Kein Mensch hat heutzutage noch Zeit, ein Buch zu lesen. Selbst Bibliophile kommen selten über den Klappentext hinaus. Wir schaffen jetzt Abhilfe. Und erzählen dort weiter, wo der Klappentext aufhört. Den ganzen Roman. Bis zum Ende.
In seinem Testament hat der millionenschwere Farmer Jack Mercy verfügt, dass seine drei Töchter aus drei verschiedenen Ehen ein Jahr lang gemeinsam auf der Farm leben sollen, ehe sie sich ihren Erbteil verdient haben: Da ist zum einen die robuste Willa, die als Einzige dort aufgewachsen ist; dann die smarte Tess aus Hollywood, die der Farm am liebsten den Rücken gekehrt hätte, aber dringend das Geld benötigt; und die zerbrechliche Lily, die nach einer gescheiterten Ehe dankbar das sich ihr bietende Refugium annimmt. Kaum haben sich die drei aneinander gewöhnt, werden sie von mysteriösen Anschlägen in Angst und Schrecken versetzt. Doch auch in Sachen Liebe geraten ihre Gefühle gehörig in Aufruhr ...
Denn die smarte Tess verliebte sich unglücklich in den burschikosen Bill, der sich als total überschuldeter Adoptivsohn der zweiten Ehefrau des millionenschweren Jack Mercy entpuppte. Die robuste Willa hingegen verguckte sich in den saufetten George, Stiefbruder des burschikosen Bill. George versetzte ein mysteriöser Anschlag derart in Angst und Schrecken, dass ihn ein permanentes Zähneklappern überfiel, das ihm schließlich jede Nahrungsaufnahme unmöglich machte. Er verfiel zusehends und glich bald bis aufs Haar der zerbrechlichen Lily.
Die zerbrechliche Lily hingegen verfiel mit Haut und Knochen dem athletischen Peter, der sich als Cousin des saufetten George und zugleich als Stieftochter des millionenschweren Jack entpuppte – wie auch immer das möglich war.
Einer besser geplanten zweiten Serie mysteriöser Anschläge fiel schließlich eineR nach dem anderen zum Opfer. Niemand konnte so mehr Jack Mercys millionenschweres Erbe antreten, woraufhin der federleichte Testamentsvollstrecker kurzerhand das ganze Vermögen einer Selbsthilfegruppe für gescheiterte Klappentexter spendete.
zott
Der Klappentext stammt von dem Roman „Der weite Himmel“ von Nora Roberts, Heyne Verlag 1998, 14,90 Mark
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