: Expo, lass es Geld auf uns regnen
Die Weltausstellung hat zehn Milliarden Mark Investitionen in die Region gezogen. Zwei Drittel davon kommen vom Staat. Doch nicht immer wurde das Geld sinnvoll verwendet: Die Expo fördert vor allem Hannover und die Deutsche Messe AG
von HANNES KOCH
„Willkommen in der Expo- und Messestadt Hannover“, empfängt die Stadt ihre Besucher bereits am Hauptbahnhof. Und weist damit gleichzeitig auf den Zusammenhang zwischen Expo und Messe hin: Die Weltausstellung soll das wichtigste Unternehmen der Stadt, die Deutsche Messe AG, fördern.
Ohne Messe keine Expo. Ohne Expo kein schnelles Geld für die Messe. Rund zehn Milliarden Mark wurden in die Expo investiert. Etwa zwei Drittel davon hat der Staat bezahlt, und zwar für Bahnlinien, Gelände, Pavillons und sonstige Infrastruktur. Diese rund sechs Milliarden Mark öffentlich geförderter Investitionen bringen dem Staat Steuereinnahmen von knapp drei Milliarden Mark. Hinzu kommt das Steueraufkommen, das 20 Millionen TouristInnen für Unterkunft, Verpflegung und Souveniers ins Land bringen.
Ein großer Teil dieses Geldes kommt der Messe AG zugute. Die Gesellschaft veranstaltet Jahr für Jahr die Hannover Messe, die wohl größte Ausstellung für Industrieprodukte weltweit. Auch die Computermesse Cebit nimmt in ihrem Segment den Spitzenplatz ein. Hannover wetteifert mit Frankfurt, Köln, München, aber auch London und Paris um die Stellung in der Hierarchie der internationalen Messeplätze. Und die Expo hilft dabei.
Hannover ist da keine Ausnahme: Großveranstaltungen haben auch anderorts vor allem den Zweck, die Region zu entwickeln. So half 1992 die Weltausstellung dem andalusischen Sevilla, sich an die Entwicklung des Nordens anzukoppeln. Mit Milliarden Peseten entstand etwa die neue Schnellzugverbindung zwischen Madrid und dem Süden. Im selben Jahr finanzierte die Olympiastadt Barcelona mit Geldern aus dem Mammutsportereignis den Umbau des Hafens zu einem Vergnügungsviertel am Meer, um sich in der Rangliste der Touristenstädte nach oben zu boxen.
Seit sich das Füllhorn nun auch über Hannover geöffnet hat, steht die Messe AG besser da denn je: Sie besitzt neuerdings einen eigenen ICE-Bahnhof und einen ausgebauten Flughafen im Norden der Stadt, der mit einer S-Bahn-Linie an das Messegelände angebunden ist. Ultramoderne Messehallen wurden errichtet, und mit dem Expo-Gelände verfügt die Firma nun über eine attraktive Erweiterungsfläche in der Nachbarschaft.
Für den Bund und das Land Niedersachsen wird die Expo hingegen zum finanziellen Fiasko. Die Obergrenze der roten Zahlen hat die öffentliche Hand auf 1,77 Milliarden Mark festzulegen versucht. Für eine Summe in dieser Höhe bürgt der Staat für die Kredite, die die Expo-Gesellschaft möglicherweise nicht zurückzahlen kann, weil es ihr am Ende an Geld mangelt. Wenn nur die Hälfte der eingeplanten 40 Millionen BesucherInnen kommen, fehlen rund 800 Millionen Mark in der Kasse. Inklusive des ohnehin schon kalkulierten Defizits von 400 Millionen Mark und der vermutlich ausfallenden Sponsorengelder in Höhe von rund 200 Millionen kämen 1,4 Milliarden Mark Miese zusammen. Was die Arbeitsplätze betrifft, haben sich die Vorhersagen aus der Anfangszeit der Expo nicht bewahrheitet: Zehntausende neuer Jobs hat die Weltausstellung der Region nicht beschert.
Dennoch verbreitet Expo-Chefin Birgit Breuel Optimismus: Angesichts der am Freitag auf 145.000 zahlende Gäste gestiegenen Besucherzahl sehe sie sich „bestärkt“ in ihrem Ziel, „40 Millionen Expo-Besucher begrüßen zu können“. SPD-Fraktionschef Peter Struck hatte Breuel zuvor aufgefordert, zu „überlegen, welche Fehler sie gemacht hat und daraus selbst Konsequenzen auch für ihre Bezüge zu ziehen“.
Nicht zuletzt geht es bei der Expo auch um das Wie der Wirtschaftsförderung. Für Stadtplaner Klaus Selle, der die Expo im Auftrag der Stadt Hannover kritisch begleitet, stellt der Infrastrukturausbau „eine klassische Erweiterungsmaßnahme am Stadtrand dar. Dabei hätte es intelligentere Lösungen gegeben.“ Die neue Stadtbahnlinie zum Osteingang des Geländes werde während der wenigen Großveranstaltungen profitabel fahren und sonst nur zu 30 Prozent ausgelastet sein, denn zu wenige Leute lebten in dem neuen Stadtteil im Süden. Hätte man mit den Millionen Mark schon existierende Bahnlinien in Vororte Hannovers verlängert, hätten weitaus mehr Menschen – und Unternehmen – von den Investitionen profitiert.
Der Stadterweiterung am Rand stellt Selle die mögliche Entwicklung im Innern gegenüber. Die bleibt mangels Geldes erst einmal auf der Strecke. Riesige Brachflächen gibt es zwar, doch kein Konzept der Stadt, diese sinnvoll zu nutzen. Die angeblich umweltfreundliche Expo 2000 zeigt damit auch eine ihrer unökologischen Kehrseiten. Während gut erschlossene Gebiete in der Innenstadt kaum genutzt werden, fielen Naturflächen am Stadtrand dem Weltausstellungsgelände zum Opfer.
Lesetipp: Ralf Strobach: „Expo 2000“. Rotbuch, 14,90 DM
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