Streit um einen Ehrenbürger

Nach dem Willen von SPD, PDS und Bündnisgrünen soll der ehemalige sowjetische Stadtkommandant Nikolai Bersarin wieder die Ehrenbürgerschaft Berlins erhalten. Die CDU sperrt sich, im Kulturausschuss wird das Thema verschleppt

Für die Berliner Christdemokraten ist der russische Stadtkommandant Berlins, Nikolai Bersarin, immer noch ein Feindbild erster Güte. Ein „Repräsentant Stalins“ und ein „Vertreter eines totalitären Systems“ nennt ihn der kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Uwe Lehmann-Brauns. Da zählt nicht, dass sich Bersarin nach der Eroberung Berlins 1945 mit aller Kraft für die Versorgung der Stadt mit Strom, Wasser und Lebensmitteln einsetzte. „Wie er sich verhalten hat, entsprach der Genfer Konvention“, sagt Lehmann-Brauns. „Das war nicht so außergewöhnlich.“

Für den CDU-Politiker zählt auch nicht, dass Bersarin die zu DDR-Zeiten verliehene Ehrenbürgerwürde Berlins 1992 zu Unrecht aberkannt wurde. Der damalige Verdacht, Bersarin habe 1940 an Deportationen im Baltikum mitgewirkt, erwies sich als historischer Irrtum. Dem Leiter des Deutsch-Russischen Museums Karlshorst gelang anhand russischer Militärakten der Nachweis, dass Bersarin erst im Mai 1941 ins Baltikum versetzt wurde und mit den Deportationen nichts zu tun hatte.

Dass SPD, PDS und Grüne Bersarin die Ehrenbürgerwürde wieder zuerkennen wollen, hält Lehmann-Brauns für eine „Immunschwäche der Linken“. Auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hat erklärt, dass er eine Rehabilitierung Bersarins nicht mittragen wird. Die kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Irana Rusta, hält dagegen: „Die CDU verweigert sich der historischen Wahrheit.“ Sie hofft, mit einem Parlamentsbeschluss Druck machen zu können. Doch die Uneinigkeit der Großen Koalition hat bislang verhindert, das der parlamentarische Kulturausschuss das Thema überhaupt auf die Tagesordnung setzt. Die grüne Abgeordnete Alice Ströver drängt: „Es muss jetzt behandelt werden, sonst machen wir uns lächerlich.“ DOROTHEE WINDEN