Tanz der Augenbrauen

■ Annette Ledays französisch-indische Company tanzt das Aschenputtelmärchen ohne Worte

Der Sturmtrupp der Shakespeare Company, also jene „Annette Leday Keli Company“, die zur Zeit mit ihrer Adaption von Shakespears „Der Sturm“ das Theater am Leibnizplatz bis zum letzten Platz füllt, gastierte dieses Wochenende mit einem ungewohnt leichten Stoff: die Geschichte vom Aschenputtel oder „Cinderella Otherwise“. Das Märchen von der zerlumpten Putzsklavin, die die beiden betuchten Töchter des Hauses glatt aussticht in der Gunst des schönen, reichen Prinzen, wird nicht weiter ausgelotet, verdreht oder neu interpretiert; es dient lediglich als Spielmaterial, das durch seine typenhaften Charaktere eine ideale Ausgangsbasis darstellt für den poetisch-grotesken Tanzstil der Company. Schließlich sind die Zeiten zum Glück vorbei,in denen es für besonders erstrebenswert galt, den gesellschaftlichen Aufstieg durch die richtige Gattenwahl zu ertrotzen. Und einen echten Prinzen gar sollte heutzutage wirklich niemand mehr wollen. Denn die stehpinkeln, wie wir seit letzter Woche wissen, doch nur an die denkbar falscheste Stelle und beschimpfen dann die investigierenden BILD-Redakteurinnen mit den einschlägigen F-Wörtern.

Wie beim „Sturm“ arbeitet die Gruppe – diesmal sind es zwei französische Tänzerinnen und vier indische Tänzer mit so schönen Namen wie Kalamandalam Unnikrishnan oder Sadanam Krishnadasan – ohne Bühnenbild und Requisiten. Dafür spielen die Kleiderstoffe und deren Farbe wie Taftigkeit eine umso größere Rolle. Und manchmal verformt eine Art Reifrock den Körper zu einer geometrischen Figur, beinahe wie im Triadischen Ballett Oskar Schlemmers, nur viel lustiger. Die beiden reichen Töchter tragen eine solche Hüftkonstruktion, dazu ein knäppliches Leibchen. Daraus hervor lugt schwarzes Brusthaar. Die Mägdelein werden nämlich von zwei indischen Tänzern dargestellt. Und dass deren letzte Schlankheitsdiät auch schon einige Zeit her sein muss, macht die Sache nur umso schmunzeliger. Wann lernt es endlich auch Karl Lagerfeld wie gut Männer in Spitzenhöschen und rosa Babydollhänger aussehen.

Von der Ebene eines platten Klamauks wird das ganze aber erst durch die wunderbare Musik von Ghedalia Tazartès gehoben. Sie schichtet raffiniert Noise-Elemente, Jazziges und Freitonales zu klassischer Musik – vom Walzer über Spätromantisches bis Impressionistisches – und das was sich nach Geige oder Flöte anhört, wurde komplett mit dem Computer eingespielt. So furchtbar solch postmoderne Mischmaschkonzepte in der Theorie sein mögen, im konkreten vorliegenden Fall klingt das herrlich leicht und schwerelos, so ewig und archetypisch wie der Märchenstoff und doch modern.

Wie im Sturm bedient sich die Choregraphie einiger Elemente des Kathakali-Tanzes. Und der europäische Zuschauer staunt Bauklötze vor allem beim Tanz der Augenbrauen und beim Gehen in der Grätschhocke. bk

Die indischen Tänzer sind noch in Coproduktion mit der Shakespeare Company zu sehen in Pit Holzwarths „Sturm“-Inszenierung am 7., 15., 16.Juli (Bürgerpark), am Leibnizplatz am 28.+ 29.Juli, 4.+5.August