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Aaaaaah ja!

■ Die Retroband/Nicht-Retroband „Make Up“ spielte überaus furios im Schlachthof

Eigentlich schade, dass „Make Up“ nicht in der Kesselhalle spielen. Erstens, weil man zur Kenntnis nehmen muss, wie wenig Leute am Tag des EM-Finales sich dieser großartigen Liveband hinzugeben gewillt sind. Und zweitens, weil Sänger Ian Svenonius dann bestimmt Lautsprechertürme und sonstige Takelage erklimmen würde – Popmusik in allen Lebenslagen.

Doch der in Blau gewandete Mensch mit dem Mikro in der Hand nutzt auch die begrenzten Möglichkeiten des Magazinkellers spaßbringend aus. Er hängt sich, singend und tanzend, an die Stange, welche die Scheinwerfer trägt. Und sofort entspinnt sich ein Streit zwischen mir und meiner Begleitung: Svenonius sei Soulperformer alter Schule mit einem Schuss Iggy Pop, sagt er. Nein, sage ich, eher das Negativ von Henry Rollins. Schließlich können wir uns darauf einigen, dass er auf jeden Fall exakt so rüberkommt, wie man ihn sich beim Plattenhören vorgestellt hat.

„Make Up“ klingt ein wenig nach Gary Glitter, doch ist hier der Name Programm. Die Band ist sie selbst und zugleich die eigene Parodie. „Make Up“ verweist, als Name, zugleich auf Gesellschafts- und Persönlichkeitsdesign des allein selig machenden Kapitalismus, wie auf gängige Popstrategien. Das funktioniert unter anderem, weil „Make Up“ oberflächliche Coolness zur Schau stellen, diese durch Gestus und krachige Musik immer wieder brechen. Ohne daraus ein Diskursprojekt zu machen.

„Make Up“ ist die einzige Reroband, die ich ertragen kann. Weil sie keine Retroband ist, allem Sixties-Georgel zum Trotz. Sondern fest auf dem Boden der Neunziger steht. Ich sag ja immer, das Fieseste in „American Psycho“ ist der breit dargelegte Musikgeschmack von Pat Bateman. „Make Up“ rocken und schrammeln mitten hinein in die Mainstreamseligkeit à la Genesis. Sie sind Modell, nun ja: rekombinanter Musik, wie der amerikanische Hochgeschwindigkeitsphilosoph Arthur Kroker wohl schreiben würde. Nur dass hier keine androide Mensch-Sampler-Kombination auf der Bühne steht, die alles durcheinanderhaut, sondern richtige Menschen. Ganz altmodisch mit Instrumenten in den Händen.

Trotzdem: Svenonius wirft das Mikro äußerst smart von einer Hand in die andere, wirbelt es am Kabel durch die Luft. (Dass ich das noch erleben darf!) Und erklärt kurz, wie eine elektrische Gitarre funktioniert: „James takes that plastic thing, touches the string, and, well, there's a wire going back here, and suddenly comes a sound out of the amplifier.“ Aaaah ja!

Eigentlich müsste man jetzt noch Einflüsse aneinander reihen, dem Bericht einen roten Faden einschreiben. Aber „Make Up“ verlangen nach pathetischer Fanschreibe, die zwangsläufig genauso widersprüchlich ist wie ihr Konzept. Da ist Gewisper und Geschrei, da wechseln sich Uptempo-Geschichten mit langen Orgelexerzitien ab. Doch, schrieb ein englischer Kollege, „that never makes anything clear ...“ Stimmt. „Save Yourself“, heißt die letzte Platte. Wissend, dass dies genauso wenig geht wie das gospelnde Love Love Love. (Zumal Letzteres zunehmend vom Massenspektakel okkupiert ist, wie sie ungebrochen am kommenden Wochenende in Berlin zelebriert werden.) Musiktrunken wankt man ins Freie. Frankreich 2, Italien 1. Aber das ist jetzt auch egal. Tim Schomacker

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