: Max und Moritz
Die Lifestyle-Postille „Max“ will endlich Deutschlands beliebteste Illustrierte werden – und ist doch noch Lichtjahre vom siechen „Stern“ entfernt
von ARNO FRANK
Kaum merklich hat Max seinen Namen geändert: www.max.de steht da nun auf dem Titel, als wär’s das Heft zur Homepage. Der Stern reagierte auf seine Weise, indem er seinem sechseckigen Logo einen schmucken Schatten verpasste. Die optischen Retuschen sind symptomatisch für die Winkelzüge und Rochaden, mit denen sich beide Magazine seit Monaten belauern. Unverschämt eng nämlich schmiegt sich Max in Optik und Anmutung an das Vorbild vom Stern, dass sich erstmals die Frage stellt: Welche Wundertüte soll’s denn sein? Hier, frisch eingewechselt und mit jugendlichem Elan, ein ehemaliger Lifestyle-Katalog, der endlich mitmischen will im Markt der erwachsenen Illustrierten: Max aus der Verlagsgruppe Milchstraße. Dort, geplagt von redaktionellen Querelen und gezeichnet von sinkender Auflage, die Ur-Illustrierte mit Schlagseite statt Schlagzeilen: der Stern, Flaggschiff von Gruner + Jahr.
Das Szenario erinnert an den Start von Focus, mit dem Burda dem Spiegel Paroli bieten wollte. Mit dem Unterschied, dass sich Max ganz allmählich an sein Opfer herangeschlichen hat, seit Jan-Eric Peters im März 1999 den Posten des Chefredakteurs übernahm – von Uwe Killing, der Max wegen „unterschiedlicher Auffassungen über inhaltliche Konzepte“ verlassen hatte und demnächst für den kurzatmigen Attic Futura Verlag das englische Herrenmagazin FHM – For Him Magazine ins Deutsche übersetzen darf. Als geschickt kaschierte Adaption eines britischen Formats war auch Max an den Start gegangen: Wie The Face, die Erfinderin des Lifestyle-Journalismus, boten die Hamburger satte Mode- und Fotostrecken auf Hochglanzpapier, geklebt statt gebunden und in unhandlichem, dafür aber repräsentativem Großformat. Die Bemühungen indes, sich als buntes Fenster in die Welt von Pop ’n’ Glamour einem konsumfreudigen, jungen Publikum anzubieten, trugen keine langfristigen Früchte – eine homogene Popkultur, wie sie sich auf den Britischen Inseln etabliert hat, existiert in Deutschland schlechterdings nicht. Den Kanzler im Kaschmirmantel abzulichten blieb das einzige journalistische Glanzstück des Magazins. Entsprechend ambitioniert gingen denn auch Jan-Eric Peters – mit Charme – und Verleger Dirk Manthey – mit gut gefüllter Kriegskasse – ans Werk: Max kaufte sich eine schlagkräftige Truppe zusammen und bediente sich vorzugsweise bei der Konkurrenz. Mit David Baum und José Redondo-Vega wechselte gleich die halbe Führungsetage von Gala zu Max: Baum als Chefreporter, Redondo-Vega als Textchef. Sebastian Hammlehe, zuvor Musikredakteur von Prinz, bespricht nun Platten im „Entertainment Guide“ von Max, Manfred Deix malt Cartoons, BZ-Chef Franz Josef Wagner liefert die „Kult-Kolumne“, Wiglaf Droste Ansichten über die „Tücken der gehobenen Lebensart“, während Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn sich ein Interview mit Tom Cruise vorstellen darf. Die Personalien machen deutlich: Offen, bunt, prominent besetzt und vor allem modern soll Max dem Stern Paroli bieten. Zwar hatte der ehemalige Stern-Chef Michael Maier seinerzeit noch den Art-Director Dirc Linke ins Boot geholt, um dem Heft für kommende Stürme einen neuen Anstrich zu geben. Linke verließ aber auf halber Strecke den Stern, weil ihm der Reformprozess nicht schnell und radikal genug war.
Wie spannend das Derby der beiden Hamburger Magazine werden könnte, zeigt auch ein Blick auf die jeweils verkauften Exemplare. Einen historischen Tiefstand musste der Stern Anfang des Jahres verbuchen, als die Ausgabe mit dem Titel-Model Gisele Bündchen am Kiosk nur schlappe 472.366 LeserInnen fand. Die Verkäufe von Max dagegen scheinen sich bei 250.000 Exemplaren einzupendeln. Ob sich diese Tendenz halten oder gar steigern lässt, wird sich erst nächstes Jahr weisen: Dann zündet Max die nächste Stufe und wird alle zwei Wochen erscheinen – um endgültig im „General Interest“-Revier des Stern wildern zu können. Genau damit tut sich das Heft nämlich noch schwer. Unter Politik versteht Max beispielsweise, die Werbeagentur von Jürgen Möllemann ausführlich vorzustellen, Rubriken wie „New Economy“ sind inhaltlich von den entsprechenden Anzeigen kaum zu unterscheiden, und fraglos tolle Aufnahmen der Agentur Magnum werden ohne jede inhaltliche Themensetzung abgedruckt. Die Welt als Benutzeroberfläche, das Magazin als Bildschirmschoner mit vielen schönen Fotos, die beharrlich schweigen. Leben, journalistische Kompetenz und Bilder mit Botschaft dagegen sind auf einem ganz anderen Stern zu Hause. Die Reise dorthin dauert Lichtjahre und hat gerade erst begonnen.
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