: Mehr Mozart hören, weniger basteln
Vereinigung der Kindertagesstätten stellt Instrumenten-Koffer für Kitas vor ■ Von Kaija Kutter
Im Streit um die Kita-Card, das beklagen alle Seiten, wird viel über Stunden und Rechtsansprüche und wenig über Pädagogik gesprochen. Die Vereinigung der Hamburger Kindertagesstätten, die mit ihren 173 Kitas 40 Prozent aller Kinder versorgt, stellte gestern ihr Konzept vor, um sich inhaltlich auf das Kita-Card-System vorzubereiten.
Gab es bisher immer nur den „fachlichen Ehrgeiz“, eine gute Arbeit zu machen, so werde künftig der Wettbewerb die Kitas dazu zwingen, sagt der Vereinigungsvorstand Martin Schaedel. Die Zeit der langen Wartelisten sei vorbei. Wenn die Gesetzgebung planmäßig verläuft, werden ab 2002 Eltern ihren Kindergarten selbst aussuchen.
Die Vereinigung heuerte bereits vor zwei Jahren die Berliner Soziologen Ludger Pesch und Hedi Colberg-Schrader an, die in zehn Hamburger Kitas ein „Forschungsprojekt zur Kita-Qualitätsentwicklung“ durchführten. Dabei herausgekommen, so Colberg-Schrader, sei ein „Instrumenten-Koffer mit leicht handhabbaren Methoden“, die auch in den übrigen Kitas angewendet werden können.
So wurde ein Beobachtungsbogen entwickelt, der ErzieherInnen dazu anhält, je ein Kind am Tag gezielt zu betrachten und zu merken, welche Aktivitäten es gerne mag. Der Bogen, so Colberg-Schrader, helfe in der Praxis, Kinder anders wahrzunehmen. „Da merken sie, der Sven, der streitet ja nicht nur. Der macht auch andere Sachen.“
Wichtig, das hat auch eine Elternbefragung zu Beginn ergeben, ist der Bildungsauftrag von Kindergärten. „Kinder versuchen vom ersten Lebenstag an, die Welt zu begreifen, wenn wir Erwachsene sie nicht daran hindern“, sagt die Wissenschaftlerin. Die Vereinigungs-Kitas bekommen nunmehr einen „Leitfaden“ zur Bildungsarbeit mit diversen Anregungen mit. So sollten Kinder einen Raum zum Forschen und Experimentieren haben. „Sie sollten nicht nur Kindercassetten hören, sondern auch Mozart“, sagt Colberg-Schrader. Auch Theaterbesuche, Tischkultur und gutes Essen gehörten zur Bildungsarbeit dazu. Und es habe sich bewährt, Eltern als „Experten“ in die Kitas zu holen. In der Wilhelmsburger „Kiddies Oase“, die sich an dem Projekt beteiligte, bietet beispielsweise eine Mutter einen Englischkurs an.
Eltern, die unzufrieden sind mit einer Kita, trauen sich selten, das zu sagen. Das Forscherteam hat deshalb auch einen Elternfragebogen entwickelt, der von LeiterInnen leicht auswertbar ist. „Wir haben gemerkt, dass Eltern gerne gefragt werden“, sagt Colberg-Schrader. In der Wilhelmsburger Kita wurde deutlich, dass Mütter und Väter mehr Kontakt wünschen. Für sie wurde ein Elterncafé eingerichtet, in dem sich auch Mütter mit Kindern treffen, die noch keinen Platz haben.
Zusätzliche Aufgaben in einem Bereich, der stets personell angespannt ist. „Schon wenn eine Kollegin krank ist, kann man vieles nicht machen“, räumt die Forscherin ein. Andererseits könnte man bestimmte Angebote auch weglassen. Das massenhafte Ausschneiden von Häschen- oder Schneemann-Schablonen, die Kinder anmalen sollen, zum Beispiel. Es gilt als pädagogisch wenig wertvoll.
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