Gibt es denn keine Alternativen?: Wo bleiben durchdachte Konzepte?
betr.: Neue Kampfhundeverordnung
Klug oder nicht klug, sinnvoll und tiefgreifend oder oberflächlich, wie auch immer die Analysen ausfallen zu den Hunden aggressiver Rassen. Kampfhunde sind die Nato des kleinen wehrlosen und „unpolitischen“ Mannes. ILSE SCHWIPPER, Berlin
Wir leben in einem Land, in dem jährlich zehntausende Menschen, davon tausende Kinder, dem Autoverkehr und besonders der Raserei zum Opfer fallen. Der tägliche Bodycount in den Medien wird als etwas Alltägliches wie der Wetterbericht hingenommen. [...] Eine mittlerweile in ganz Europa selbsverständliche Geschwindigkeitsbeschränkung ist völlig vom Tisch. Das tägliche Sterben geht also weiter.
Es ist das gleiche Land, in dem ich mit meinen Hunden nicht mehr ohne Leine am Rhein im Hundeauslaufgebiet spazieren gehen kann, ohne von der Polizei behelligt zu werden (geschehen am Sonntag im nun ehemaligen Hundeauslaufgebiet).
Wir sind seit vier Jahren Hundehalter, beide unserer Vierbeiner sind in einer Hundeschule trainiert worden, weder Kampfhunde noch sonst irgendwie auffällig oder gar bissig. Wir zahlen Jahr für Jahr einen Haufen Steuern für die Tiere.
Unsere Hunde werden dafür bestraft, dass die Behörden im Ungang mit offensichtlich bekannten Kriminellen, die, ebenfalls bekannt, ihre Hunde zu Waffen trainiert haben, mehr als unfähig gewesen sind. Wer übernimmt nun die Verantwortung für Tiere, die durch ständigen, nicht artgerechten Leinenzwang neurotisch und dadurch erst gefährlich werden? Wo kann man in einer Stadt wie Düsseldorf Hunden den notwendigen und artgerechten Auslauf bieten?
Die Krönung an der ganzen Situation ist die Tatsache, dass die für die überwiegende Mehrzahl der Hundebesitzer völlig überzogene und untragbare Neuregelung in NRW von einer Umweltministerin durchgepeitscht wurde, die einer Partei angehört, die vor langer Zeit mal angetreten war, um unter anderem die eingangs beschriebenen Zustände auf den Straßen dieses Landes zu normalisieren. Vom Klimakiller Auto wagt man ja schon gar nicht mehr zu reden. Wie gesagt: Das Thema ist vom Tisch. Wie auch so einige andere der ursprünglichen grünen Kernthemen.
Da tut es natürlich gut, wenigstens einmal als erfolgreiche Politikerin glänzen zu können, wenn man schlagkräftig und ohne viel nachzudenken über Nacht Vorschriften erlassen darf, seien sie auch noch so absurd und ungerecht, und sich des Beifalls einer von Medienseite bis an den Rand der Massenhysterie verunsicherten Öffentlichkeit erfreuen kann.
[...] In diesem Vorgehen manifestiert sich der immer stärker zu Tage tretende Populismus ihrer Partei auf das Trefflichste. Es geht nicht mehr um intelligente Politik und Lösungen, sondern um Machterhalt und Schlagzeilenpolitik. Ohne uns.
LOUISE UND PATRICK ORTH, Düsseldorf
Wo bleiben durchdachte Konzepte gegen KampfhundehalterInnen? Plötzlich sind sie wieder da, die Konzepte gegen Kampfhunde, die bereits vor Jahren von den Verwaltungsgerichten als rechtlich bedenklich verworfen wurden. Bedenklich ist wieder einmal, dass die Politik nicht in der Lage ist, eine gründliche Analyse der aktuellen Situation vorzunehmen und angemessen zu handeln. So bleibt die einzige Hoffnung, dass die Gerichte die Fehler der Politik ausbügeln.
[...] Tragisch ist insbesondere, dass die nun beschlossenen Maßnahmen geeignet sind, die Situation insgesamt zu verschlimmern. Hunde, die ständig oder überwiegend Maulkorb tragen und an der Leine geführt werden, haben so gut wie keine Chance, soziales Verhalten zu lernen. Auf diesem Wege wird den Tieren die Möglichkeit genommen, mit anderen Tieren und dem Menschen umzugehen.
Die beschlossenen Maßnahmen erscheinen besonders geeignet, so genannte „Angstbeißer“ heranzuziehen. [...] Gibt es denn keine Alternativen? Wenn Menschen als die eigentlich Verantwortlichen überführt sind, erscheint es sinnvoller, hier anzusetzen. So verspricht eine allgemeine Pflicht für einen Hundeführerschein für beide Opfer Besserung. [...] Denkbar wäre ein gestuftes Führerscheinsystem, der potenziellen Gefährlichkeit der Hunderassen entsprechend. Wir haben uns ja auch daran gewöhnt, dass ein Mopedführerschein nicht so umfassend ist wie der Führerschein für Lastwagen. Einfach weil von einem Moped potenziell weniger Gefahren für die Öffentlichkeit ausgeht als von einem Laster.
Dabei könnte der Hundeführerschein vornehmlich als Hilfe zukünftiger HundebesitzerInnen verstanden werden. Gewinner wären alle Beteiligten.
Problematisch erscheinen nur die mit den Kursen und dem Führerschein verbundenen Kosten. Hier erscheint wiederum das Beispiel Auto als Ideenlieferant geeignet. Entsprechend den verschiedenen Autosteuerklassen basierend auf Abgaswerten, könnte die Hundesteuer nach dem Erziehungsstand der Tiere gestaffelt werden. Damit bestünde auch ein finanzieller Anreiz, sich intensiv mit den Tieren auseinander zu setzen und artgerecht zu erziehen.
Es bestehen bereits Ansatzpunkte, wie zum Beispiel die Begleithundeprüfung, an denen sich eine Regelung von Führerscheinprüfung für HundehalterInnen orientieren könnte. Nur fehlt bisher der politische Wille, dieses Potenzial schnell und gezielt auszubauen.
Bleibt die Frage nach der Kontrolle. Dazu müssen die Tiere und die HalterInnen sicher identifiziert werden können. Dies könnte durch eine allgemeine Chippflicht für Hunde gewährleistet werden. Mit einem entsprechenden Gerät könnten auch nicht speziell ausgebildete Ordnungskräfte die Angaben der Halter überprüfen. Außerdem könnten entlaufene Hunde sicherer und schneller nach Hause gebracht werden. GABOR BULCSU, Hannover
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