piwik no script img

Schritt zurück nach vorn

■ Tune in and find out: „two.percent“ präsentieren Bremens erste 2-Step-Party

Zwei links, zwei rechts, eins fallenlassen. Kennt man ja, Handarbeitsunterricht, achte Klasse. Und nun? 2-Step. Das ist neu.

In den letzten Jahren ist es oft ja so, dass man den musikalisch letzten Schrei vor lauter Rufenden kaum vernimmt. Was grundsätzlich nicht so schlimm wäre, käme einem nicht ab und an – hechelhechel – doch etwas über den Weg gesprungen, das es verdient als neu bezeichnet zu werden. Und so etwas ist 2-Step.

Was das ist, erklärt mit J. Cream einer, der auch immer ein zwei Schritte schneller sein muss als Freund und Feind. Im Plattenladen zum Beispiel. Er ist Mitarbeiter der Musikzeitschrift „Groove“ und DJ in Personalunion. Als Bestandteil der Hamburger DJ-Crew „tune“, die den neuen Sound in der kommenden Nacht von Hansestadt zu Hansestadt transferiert, ist er einer der Pusher des neuen Stils. Kulturtransfer Hamburg-Bremen also. Und wie kam 2-Step nach Hamburg? Und überhaupt: Was ist das nun eigentlich?

„Das letzte Kind der jüngeren Generation karibischer Einwanderer nach Großbritannien, und: ein Mix aus Jungle und Speed-Garage.“ London-based also. Nun gibt es kaum eine Stadt, in der ästhetische Innovation, Hype und Lifestyle so eng verzahnt sind wie in London. Nicht zufällig kommen fast alle wichtigen (musik)soziologischen Beiträge zu Club Cultures aus dieser Stadt. Weil „tune“ einen „Eins-zu-eins-Kulturtransfer nicht für nötig und auch nicht für möglich“ halten, kann man auf Expertisen zu Versace versus Baseballcap oder Koks versus Ecstacy verzichten (Obwohl auch das interessant ist.). Man konzentriere sich, so J. Cream, eher auf die musikalische Ebene. „Die steht im Mittelpunkt“, sagt er, fügt aber hinzu, dass auch in Hamburg versucht wird, den distinktiven Lifestyleaspekt zu etablieren. Die Leute von „tune“ allerdings interessiert das kaum.

Auf diese Weise gelang es, 2-step als regelmäßiges Event zu etablieren. Das steht den drei Herren von „two.percent“ noch bevor. Den richtigen Riecher haben sie schon einmal bewiesen. Bei gutem Zulauf könnte 2-Step auch in Bremen zur dauerhaften Einrichtung werden. Eine Bereicherung fürs hansestädtische Nchtleben wär das allemal.

„Enter Selecter!“, lauten die ersten Worte im derzeit erfolgreichsten 2-Step-Track „Rewind“ von „Artful Dodger“. Um auszuwählen braucht man aber ausreichend Material. Ist vorhanden, denn neben Jungle spielen auch R'n'B und Ragga eine große Rolle. 2-Step ist folglich etwas Brüchiges, das aber nicht auseinanderfällt im elektronischen Labor, sondern zusammengezurrt wird fürs Tanzvergnügen. „Wir versuchen, den Leuten das volle Spektrum zu geben, extreme Stilwechsel innerhalb des Genres.“ 2-Step ist ein Stil, den man schnell mixen muss. Nicht schlecht ist es da, wenn man Erfahrungen mit Breakbeats hat. Dass „man seine Tracks gut kennen und gutes Timing haben muss“, ist eh selbstverständlich.

Essenziell aber sei vor allem, dass 2-Step den Gesang ganz vehement zurück in die Clubs bringt. Sei es durch Basistracks „ ... das geht sogar soweit, dass Remixes von Christina-Aguilera-Songs im Umlauf sind!“ – sei es durch MCs. Eine davon ist MC Oezlem, die mit dem zuletzt hinzugekommenen „tune“-Mitglied DJ Pari auf silence records bereits den ersten eigenen Track veröffentlichte. Anders als im HipHop ist der Vokalpart enger in die Musik eingebunden, verliert sich mitunter, um dann wieder skandierend und lobpreisend hervorzutreten. Was ungefähr dem Unterschied des Stimmeinsatzes bei Mahler und Beethoven entspricht. Ungefähr ...

Unter dem Strich bleiben klackernde Beats, wummernde Bässe mit allerlei klanglichen Feinheiten. Anders gesagt: Musik, zu der man saugut tanzen kann.

P.S.: Das einzig Bekloppte an 2-Step sind die Künstlernamen. Mein persönlicher Favorit ist DJ Luck. Aber das gehört dazu. Und: Man muss sich nicht von dem Irrglauben leiten lassen, etwas Neues müsse immer nur plattenindustrieller Hype (und könne folglich niemals gut) sein. Nein, muss man wirklich nicht. Zurück auf die Tanzfläche ...

Tim Schomacker

„two.percent“ präsentieren „tune“ am heutigen Sonnabend ab 22 Uhr in der Neuen Welt, Hinter dem Schütting 12/13.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen