piwik no script img

Schwarzfahren lohnt sich

Für manche Kleinstadt ist es günstiger, ihre Kunden schwarzfahren zu lassen. Nebenbei kann der Nulltarif die Fahrgastzahlen verzehnfachen – wie etwa in Templin

BERLIN taz ■ Ganz legal schwarzfahren: In der brandenburgischen Kleinstadt Templin geht das seit Ende 1997. Was als vorsichtiger Modellversuch begann, wird nun stolz fortgeführt. Auch in Zukunft zahlt in Templin die Stadtverwaltung den Busfahrschein für alle 14.000 Einwohner. Ökonomen der Fachhochschule (FH) Gelsenkirchen erklärten Templin nun zum Musterbeispiel. Auch für andere Kommunen könne es sich rentieren, „den Busverkehr fahrscheinfrei zu fahren“, urteilt der Wirtschaftsingenieur Stephan Keuchel.

Im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums analysierten die Wirtschaftsingenieure der FH solche Konzepte. Nach ihrer Einschätzung kann eine Gemeinde für die Einführung der Nulltarifs gleich mehrere Vorteile verbuchen: Zunächst entfällt der Aufwand für Fahrscheinautomaten und Kontrolleure, dann fahren die Busse schneller, weil der Fahrer nicht mehr kassieren muss. Schließlich steigt die Nachfrage, was die Umwelt entlastet, Unfälle vermeidet und auch Investitionen in Straßen überflüssig machen kann. Das alles lohnt sich vor allem dann, wenn eine Gemeinde die Fahrscheine ohnehin schon stark subventionieren musste: In Templin immerhin zu 85 Prozent.

Der Anreiz des Nulltarifs kann erheblich sein. In Templin verzehnfachte sich die Zahl der Fahrgäste. Was aber nicht bedeutet, dass sich der Zuschussbedarf auch verzehnfacht hätte. Schließlich lasten mehr Fahrgäste die Busse auch besser aus.

Leider ist der Nulltarif nicht ohne weiteres auf große Städte übertragbar. Denn hier geht es nicht nur um ein paar Buslinien, sondern um ein komplettes, umfassendes Angebot auch mit U- und Regionalbahnen. Der Anteil der Einnahmen, die aus Fahrscheinverkäufen stammen, liegt meist bei 40 Prozent – nicht 15 wie in Templin.

Kleinere und mittlere Städte in großen Verkehrsverbünden könnten aber trotzdem sinnvoll mit einem auf das Stadtgebiet oder auf bestimmte Linien beschränkten Nulltarif arbeiten. Auch ein vorübergehender Nulltarif kann sich lohnen, fanden die Forscher heraus, weil nach Wiedereinführen der Tickets mancher Fahrgast Bus und Bahn nicht mehr missen möchte.

In Templin, das neben dem ebenfalls in Brandenburg gelegenen Lübben eine Pionierrolle in Deutschland einnimmt, konnte der Autoverkehr allerdings nicht allzu sehr vermindert werden. Die meisten neuen Fahrgäste fuhren früher Rad oder gingen zu Fuß.

Ganz anders dagegen in Hasselt, einer belgischen Stadt nahe Maastricht mit 68.000 Einwohnern: Dort wird mittlerweile der innere Straßenring zu einem „grünen Ring“ umgebaut. Und in den USA gibt es kostenlose Busse sogar in einer Stadt mit 250.000 Einwohnern. Das macht Hoffnung. MATTHIAS SPITTMANN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen