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Ein beispielloser Coup

betr.: „Heikler Staatsbesuch“, taz vom 8./ 9. 7. 00

Mitte der Woche landete der iranische „Nationale Widerstandsrat“ mit der bundesweit von den Medien als Top-Thema aufgegriffenen Meldung, hunderte Bundestags- und Landtagsabgeordnete sowie prominente Persönlichkeiten hätten einen Protestaufruf gegen den Staatsbesuch des iranischen Staatspräsidenten Chatami unterschrieben, einen wohl beispiellosen Coup.

Kaum ein halbes Dutzend der UnterzeichnerInnen sind bis heute namentlich bekannt, von einer Veröffentlichung der Liste ganz zu schweigen. Obwohl bekannt ist, dass die militanten Volksmudschaheddin hinter dem sich in der BRD seriös und demokratisch präsentierenden „Widerstandsrat“ stehen, genießt diese Organisation hierzulande offenbar einen nahezu grenzenlosen Vertrauenskredit. Wenn es gegen das „Mullah-Regime“ geht, muss es sich einfach um aufrechte Demokraten und selbstlose Kämpfer für die Menschenrechte handeln ... Dass man jetzt zumindest nachträglich bei der taz nachdenklich geworden ist, gereicht ihr zur Ehre. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass damit die Frage der Extistenz dieser Liste und gegebenenfalls nach ihrem Zustandekommen und der Echtheit von Namen sowie den Strukturen und Aktivitäten der Volksmudschaheddin erst beginnt.

Mindestens so deprimierend wie die Bereitschaft der hiesigen Medien, Meldungen ungeprüft zu verbreiten, sofern sie nur dem eigenen Weltbild entsprechen, ist allerdings das Reflexionsniveau einiger unserer Volksvertreter. Ohne Frage gibt es an den politischen Verhältnissen im Iran vieles zu kritisieren, insbesondere hinsichtlich der Verwirklichung rechtsstaatlicher Prinzipien. Aber selbst unter der Prämisse, dass man das System als solches für nicht reformfähig und Präsident Chatami für die Marionette reaktionärer Geistlicher hält – eine Einschätzung, die ich, wie ich betonen möchte, nicht teile –, kann es ja wohl nicht völlig egal sein, für welche Alternative man optiert und mit wem man sich solidarisiert. Wenn beispielsweise der SPD-Abgeordnete Arne Fuhrmann seine Unterschrift und seine Mitwirkung an der Pressekonferenz mit seinen eigenen Lebenserfahrungen in einer Diktatur begründet, so wirkt das auf mich wie das Plädoyer für ein Bündnis mit Pol Pot gegen Erich Honecker.

IRMGARD PINN, Aachen

betr.: „Ein ganz normaler Staatsgast“, taz vom 7. 7. 00

Irans Staatspräsident Mohammad Chatami ist kein normaler Staatsgast, sondern ein besonderer. Nicht mit jedem Staatsgast kann man Fragen zum Asylrecht so praxisorientiert diskutieren wie zum Beispiel mit Chatami (Zhu Rong-Ji ist ja schon wieder weg). Innenminister Schily denkt ja inzwischen an die Quote für Asylsuchende. Wäre es da nicht eine praktische Idee, die Quoten mit solchen Staatsgästen zu vereinbaren? Wie kann man Quoten festlegen, ohne das mit den Herkunftsländern asylsuchender Gäste abzustimmen? GÖTZ KLUGE, München

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