: Ölinferno in Nigeria
Bei einer Pipeline-Explosion werden 250 Tote befürchtet. 1998 waren bei der Explosion derselben Pipeline über 1.000 Menschen gestorben
LAGOS/BERLIN rtr/taz ■ Die Explosion einer Ölpipeline in Nigeria hat gestern nach ersten Berichten 250 Tote gefordert. Augenzeugen zufolge flog die Pipeline im südnigerianischen Dorf Adeje am Montag in die Luft, als Dorfbewohner mit Eimern auslaufendes Benzin aufsammelten. Nach Angaben der Dörfler war die Pipeline am Sonntag von Benzindieben leck geschlagen worden und brannte seitdem. Die Polizei sperrte den Unglücksort ab und ließ niemanden heran. Ein Reuters-Journalist berichtete jedoch, er habe 50 verkohlte Leichen gesehen.
Adeje nahe des Ölhafens Warri liegt in der Nähe des Ortes Jesse, wo dieselbe Pipeline schon einmal im Oktober 1998 explodierte. Damals waren 1.000 bis 2.000 Menschen ums Leben gekommen. Die überirdisch verlaufende Pipeline soll eigentlich Rohöl aus den Ölfeldern des Niger-Flussdeltas quer durch Nigeria in eine Raffinerie der nördlichen Stadt Kaduna leiten. Da diese Raffinerie seit Jahren kaputt ist, werden stattdessen raffinierte Ölprodukte durch die Pipeline transportiert, obwohl sie nicht für diesen Zweck gebaut ist. In Jesse hatten die Überlebenden 1998 daher auch Entschädigung gefordert. Die damalige Militärregierung machte jedoch Sabotage als Urheber der Katastrophe aus und weigerte sich.
Diesmal scheint es den ersten Berichten zufolge unstrittig, dass Sabotage mit im Spiel ist. Benzinklau ist in Nigeria zum Volkssport geworden. Da die neue Zivilregierung Nigerias die chronische Benzinknappheit des Ölförderlandes nicht behoben hat und nun sogar versucht, zur Einsparung von Subventionen die Benzinpreise zu erhöhen, passiert es immer öfter, dass Pipelines angezapft werden und Benzin illegal verhökert wird. In manchen Landesteilen überwachen bewaffnete Milizen die Einhaltung niedriger Benzinpreise und bieten zuweilen selber billiges Benzin unklaren Ursprungs an.
Nach Überzeugung des Staates beteiligen sich auch Oppositionsgruppen in den Ölfeldern am Benzinklau und sabotieren Pipelines. Diese bestreiten das und sagen, die Ölkonzerne vernachlässigten die Instandhaltung der Pipelines und führten somit Umweltkatastrophen herbei. Unstrittig ist, dass es immer wieder zu Lecks in den Pipelines der Ölfelder kommt, zu denen die Bewohner der Gegend in der Hoffnung strömen, Benzin zu finden.
Im andauernden Kampf gegen bewaffnete Oppositionsgruppen in den Ölfeldern haben Nigerias Sicherheitskräfte die Jagd auf „Pipeline-Vandalen“ zur Priorität erklärt. Nach Angaben der Umweltgruppe ERA (Environmental Rights Action) erschoss eine Sondereinheit der Armee am 23. Juni drei Schulkinder, die einem Volksauflauf vor einer geborstenen Pipeline zuschauten. DOMINIC JOHNSON
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen