Seit gestern ist Weihnachten

Durch die Steuerreform haben die meisten BürgerInnen mehr Geld zur Verfügung – spannend aber bleibt, woher das Geld künftig kommen soll

von BARBARA DRIBBUSCH

So viel gab es noch nie: Schaut man sich die Fallbeispiele aus dem Bundesfinanzministerium an, dann beschert die gestern vom Bundesrat beschlossene Steuerreform den meisten BürgerInnen ein hübsches Geldgeschenk. Besonders drastisch wirken die Entlastungen, wenn man das Jahr 2005 mit dem Jahr 1998 vergleicht.

Laut den Beispielen aus dem Hause Eichel zahlt eine ledige Fachverkäuferin mit einem Jahresbruttoverdienst von 40.000 Mark im Jahr 2005 rund 1.900 Mark weniger Steuern als noch im Jahre 1998. Ein verheirateter Schlosser mit zwei Kindern und einem Jahresbruttoverdienst von 60.000 Mark spart im Jahr 2005 rund 4.000 Mark Steuern. Hier greifen auch die bereits verbesserten Regelungen beim Kindergeld.

Da die Steuerkurve progressiv ansteigt, sparen die Hochverdiener mehr, wenn die Steuersätze sinken. Ein verheirateter Chefarzt mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von einer Millionen Mark wird im Jahr 2005 gegenüber 1998 um mehr als 100.000 Mark entlastet. Allerdings ist dieses Beispiel aus dem Hause Eichel rein fiktiv: Der hoch verdienende Arzt dürfte sein zu versteuerndes Einkommen vermutlich schon durch Abschreibungen so stark drücken, dass es weit unter einer Millionen Mark läge.

Die Entlastungen kommen vor allem durch die niedrigeren Sätze bei der Einkommensteuer zustande: Der so genannte Eingangssteuersatz sinkt danach zum 1. Januar 2001 von jetzt 22,9 auf 19,9 Prozent, der Spitzensteuersatz von 51 auf 48,5 Prozent. Bis zum Jahr 2005 sinken die Sätze auf 15 beziehungsweise 42 Prozent. Der Spitzensteuersatz greift im Jahr 2005 ab einem zu versteuernden Einkommen von 102.000 Mark . Der Grundfreibetrag steigt von jetzt 13.499 Mark im Jahr auf 15.000 Mark im Jahr 2005. Auch für Aktienbesitzer bessert sich die Lage. Liegt zwischen Kauf und Verkauf einer Aktie mehr als ein Jahr, bleiben Kursgewinne steuerfrei. Innerhalb der Einjahresfrist müssen Kursgewinne künftig nur noch zur Hälfte versteuert werden. Es gilt ein Freibetrag von 1.000 Mark.

Von der Steuerreform profitieren auch Kapitalgesellschaften, also Aktiengesellschaften (AGs). Die Körperschaftssteuer für Kapitalgesellschaften sinkt von 40 Prozent für einbehaltene und 30 Prozent für ausgeschüttete Gewinne auf einheitlich 25 Prozent. Vor allem aber: Gewinne aus dem Verkauf von Beteiligungen, die deutsche AGs an anderen in- und ausländischen AGs halten, sind künftig nach einer Einjahresfrist steuerfrei. Diese Regelung gilt ab 2002.

Zur Gegenfinanzierung der vielen Entlastungen werden viele Abschreibungsmöglichkeiten, etwa für Wirtschaftsimmobilien und Maschinen, gekappt. Unterm Strich bleibt dennoch ein großes Entlastungsvolumen, das sich im Jahre 2005 auf insgesamt rund 60 Milliarden Mark beläuft. Wie werden diese Steuermindereinnahmen im Bundeshaushalt nun ausgeglichen?

Eichel setzt vor allem auf den „Selbstfinanzierungseffekt“ der Steuerreform. „Selbstfinanzierung“ bedeutet, dass durch die steuerlichen Entlastungen das Wachstum steigt und die Beschäftigung zunimmt, so dass am Ende durch die bessere gesamtwirtschaftliche Lage trotz der niedrigeren Sätze doch noch ordentlich Steuergelder in die Staatskasse fließen.

Nach Modellberechnungen dürfte dieser Selbstfinanzierungseffekt aber höchstens 30 bis 40 Prozent der Entlastungen betragen, erklärt Konjunkturexperte Dieter Teichmann vom Wirtschaftsinstitut DIW. Die restlichen 40 Milliarden Mark Entlastung im Jahr 2005 müssen anders finanziert werden, „entweder durch Einsparungen oder durch Kreditaufnahmen“, so Teichmann.

Doch dieses Problem stellt sich erst in einigen Jahren – wenn Eichel vielleicht gar nicht mehr am Ruder ist.