„Dissidenten“ in den Bergen

In Liberia haben Rebellen den Kampf gegen Präsident Taylor aufgenommen. Taylor steht wegen Unterstützung der RUF-Rebellen in Sierra Leone in der Kritik

BERLIN taz ■ In Westafrika hat offenbar eine konzertierte militärische Aktion zur Schwächung des Präsidenten Charles Taylor in Liberia begonnen. Der Norden Liberias an der Grenze zu Guinea ist seit knapp zwei Wochen Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen liberianischen Regierungseinheiten und einer Gruppe von „Dissidenten“. Zugleich sind an der Grenze zwischen Liberia und Sierra Leone heftige Kämpfe zwischen der sierraleonischen Rebellenbewegung RUF, die von Taylor unterstützt wird, und der loyal zu Sierra Leones Regierung stehenden Kamajor-Miliz ausgebrochen.

In Liberia rückten die „Dissidenten“ am vorletzten Wochenende aus Guinea heraus ein und besetzten Teile der Provinzhauptstadt Voinjama, bevor die Armee sie zurückschlug. Im bergigen und bewaldeten Umland dauern die Kämpfe seitdem an. Taylor rief eine Generalmobilmachung aus und verhängte am Mittwoch über den Norden Liberias den Ausnahmezustand.

Taylor steht unter starkem diplomatischen Druck, weil er als Hauptunterstützer der Rebellenbewegung RUF (Revolutionäre Vereinigte Front) in Sierra Leone gilt. Ein Sieg über die RUF, die in Sierra Leone eine UN-Mission bekämpft, ist derzeit ein Hauptziel der internationalen Diplomatie in Afrika. Anfang dieser Woche forderte Thomas Pickering, Staatssekretär im US-Außenministerium, bei einer Reise nach Liberia an der Spitze einer US-Militärdelegation Taylor mit scharfen Worten auf, die RUF fallen zu lassen und drohte ansonsten mit Konsequenzen für die Beziehungen Liberias zum Rest der Welt. Taylor trommelte daraufhin am Mittwoch die Presse zusammen, nannte Pickerings Anschuldigungen „Unsinn“ und sagte: „Liberia wird nicht auf Drohungen anderer Länder eingehen, wie groß und mächtig sie auch sind“.

Die Invasion bewaffneter „Dissidenten“ folgt auf wiederholte Warnungen der liberianischen Regierung vor einem Angriff von außen. Im Juni behauptete sie, 7.000 „Dissidenten“ seien in Sierra Leone, Guinea und Elfenbeinküste verteilt und „warten auf Anweisungen“. Seit Beginn der jüngsten Kämpfe meldet die liberianische Presse nahezu täglich Verhaftungen von „Dissidenten“ im gesamten Land. Eine Gruppe soll ausgesagt haben, ihre Bewegung zähle 3.000 bis 4.000 Kämpfer und sei in Guinea und einem anderen Nachbarland stationiert.

Wer die „Dissidenten“ genau sind, ist unklar. Mehrere selbst ernannte Sprecher unbekannter Gruppen haben beansprucht, sie anzuführen; ein ehemaliger Minister, Fahnboah Dakinda, predigt außerdem aus dem Exil eine „christliche Revolution“ gegen das „Völkermordregime“ Taylors. Aus welchem Umfeld die Kämpfer kommen, ist jedoch klar: nämlich aus jenen Milizen, die aus dem von Taylor gewonnen Bürgerkrieg in Liberia 1990-97 als Verlierer hervorgingen und daraufhin ins Ausland flohen. Das sind vor allem Vertreter des Krahn-Volkes, das 1980-90 mit Samuel Doe den Präsidenten Liberias stellte, und des in halb Westafrika verbreiteten Mandingo-Volkes, dessen Angehörige in Liberia seit Taylors Amtsantritt in großer Zahl nach Guinea geflohen sind.

Taylor war im Juli 1997 in international überwachten Wahlen an die Macht gekommen. Er hatte davor einen langen Bürgerkrieg gewonnen, der 200.000 Tote unter den 2,5 Millionen Liberianern gefordert hatte. Begonnen hatte dieser Krieg so wie der jetzige: Mit einer Invasion von Rebellen über Liberias Nordgrenze, angeführt von Charles Taylor. Nun nehmen sich seine Feinde offenbar an ihm ein Beispiel. DOMINIC JOHNSON