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„Liebe taz...“ Blue Card: ex und hopp wie leere Flaschen

Betr.: Innensenator wird international“, taz bremen vom 20. Juli 2000

Der bremische Innensenator hat als erster norddeutscher Minister den Zusammenhang zwischen Einwegflaschen und Ausländern hergestellt: „Ex und Hopp“ für „hochqualifizierte ausländische Fachkräfte“ (Erlass vom 18.07.2000).

Die Aufenthaltserlaubnis gilt nur für die Dauer der Tätigkeit als Fachkraft bei einem bestimmten Arbeitgeber (Erlass – Ziff. 4). Geht also das Unternehmen in Konkurs oder verstehen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach einiger Einarbeitungszeit doch nicht und wird das Arbeitsverhältnis aufgelöst, heißt es „Ex und Hopp“ für den betroffenen Ausländer und gegebenenfalls auch für seine „nachzugsberechtigten Familienangehörigen“.

Zur „Vereinfachung des Verfahrens für die Einreise von hochqualifizierten Fachkräften, an deren Beschäftigung ein öffentliches Interesse besteht“, soll der Erlass dienen. Er folgt der politischen Maxime der CDU, die sich in dem Satz „wir brauchen Ausländer, die uns nützen und keine die uns ausnützen“ zusammenfassen lässt.

Politisch gemeint ist: Der CDU und insbesondere den süddeutschen Bundesländern ist ein Dorn im Auge, dass der Bundeskanzler mit dem Begriff „Green Card“ eine Diskussion über Einwanderung und ihre gesetzliche Regelung „losgetreten“ hat.

Kenner der Materie wussten seit langem, dass die rechtlichen Klimmzüge, die beim Arbeitsministerium folgten, um eine neue Verordnung zu erlassen, keineswegs erforderlich waren. Man kann mit der bisher geltenden Verordnung auskommen. Dies haben der bayerische und der baden-württembergische Innenminister seit einiger Zeit propagiert und durchgeführt, der bremische Innensenator zieht jetzt nach.

Nun wird kaum zu rügen sein, dass bestehende ausländerrechtliche Regelungen auch einmal konsequent zu Gunsten von Ausländern angewandt werden. Dies wäre seit Jahren zulässig gewesen.

Der Erlass formuliert „an einer Beschäftigung hochqualifizierter ausländischer Fachkräfte kann ein öffentliches Interesse bestehen, das die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. Paragraph 5, Absatz 2 AAV rechtfertigt. Dies gilt zur Zeit insbesondere für Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie.“

Sind da jene „Inder“ gemeint, deren Anwerbung für deutsche Unternehmen seit Monaten in den Medien propagiert wird? Wohl kaum, denn ihre Beschäftigung wird gewährleistet werden durch eine bundesweite Verordnung des Arbeitsministeriums, die zum 1. August in Kraft treten wird. Dazu braucht man nicht zwölf Tage vorher noch eine bremische Sonderregelung.

Der Kulturpolitiker im Innensenator sei an einen Satz des verstorbenen schweizerischen Schriftstellers Max Frisch erinnert: „Man brauchte Arbeitskräfte – doch es kamen Menschen.“ Daran wurde allerdings bei Fassung des Erlasses weniger gedacht.

Weniger gedacht wurde auch daran, ob es für diese Regelung ein Bedürfnis gibt: Folgt man den veröffentlichten Zahlen, sollen im Arbeitsamtsbezirk Bremen 371 arbeitslose Computerspezialisten gemeldet und nur 150 Stellen in diesem Bereich frei sein.

Kritikwürdig ist das krude Nützlichkeitsdenken, dass Beschäftigung von Ausländern ausschließlich im Hinblick auf „unser Renten- und Sozialversicherungssystem“ oder „unser Wohlstandsniveau“ oder „unseren ersten Platz“ in der globalisierten Wirtschaft bestimmt.

Ein konstruktiver Beitrag zur überfälligen Diskussion um Einwanderung ist der Erlass nicht, sollte es vielleicht auch nicht sein. Im bremischen Arbeitsmarkt wird er nicht benötigt. Also: Cui bono?

Nützen mag er dem Profil eines Senators als gehormsamer Parteisoldat, der sein Anpassungsvermögen an süddeutsche Strömungen der Innenpolitik nachweisen kann. Aber rechtfertigt das einen Erlass, der Menschen betrifft?

Dr. Holger Hoffmann,

Rechtsanwalt

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