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Die Drogenpolitik tritt auf der Stelle

Eine alternative Drogenpolitik ist mit der großen Koalition nicht zu machen. Neuer Brennpunkt in der Turmstraße

Während andere Städte wie Hamburg und Frankfurt in der Drogenpolitik neue Wege gehen, tritt Berlin seit Jahren auf der Stelle. Dabei gehört die Hauptstadt mit rund 8.000 Abhängigen zu den Zentren des Heroinkonsums in Deutschland. Zur Zeit gibt es zwei größere und viele kleine Drogenszenen in der Nähe von U-Bahnhöfen. Der Polizei gelingt es mit hohem Personalaufwand, die Dealer zeitweise zu vertreiben. Meist werden sie aber nur in andere Stadtteile verdrängt.

Den Abhängigen steht zwar ein differenziertes Hilfesystem zur Verfügung, das von medizinischer Basisversorgung über Spritzentausch, Sustitution und Therapie bis zur Nachsorge reicht. Alternative Modelle haben unter der großen Koalition so gut wie keine Chance.

Der bundesweite Modellversuch zur ärztlich kontrollierten Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige ist zum Bespiel so ein Fall. Bis zum September muss der Senat endgültig entschieden haben, ob sich Berlin an dem Projekt beteiligt. Die SPD ist gewillt, die CDU strikt dagegen. Im Zweifel wird das Vorhaben, das zudem 3,3 Millionen Mark jährlich kostet, auf der Strecke bleiben.

Der zweite Fall: Die Einrichtung von Drogenkonsumräumen, im Volksmund auch Fixerstuben oder Druckräume genannt. Der Bundesrat hat im Februar ein Gesetz verabschiedet, das die Einrichtung von Räumen ermöglicht, in denen sich Abhängige unter hygienischen Bedingungen einen Druck setzen können. Der Berliner Senat weigert sich jedoch, die erforderliche Rechtsverordnung auf Landesebene zu erlassen.

Nicht von ungefähr haben sich die Bezirksverordnetensammlungen von Charlottenburg, Tiergarten, Kreuzberg und Schöneberg mehrheitlich für die Einrichtung von Druckräumen in der Innenstadt ausgesprochen. Alle Bezirke haben seit Jahren – mal mehr, mal weniger – mit den Auswirkungen der Drogenszene zu kämpfen. Wenn sich die Bevölkerung häufig genug beschwert hat, muss die Polizei ran. Die treibt die Szene dann ein Stückchen weiter.

Die Gegner der Druckräume, zu denen der Leiter des Rauschgiftdezernats der Polizei, Rüdiger Engler, und die Landesdrogenbeauftragte, Elfriede Koller, gehören, sind der Ansicht, dass die Belästigung der Bevölkerung durch Druckräume nicht ab-, sondern zunehmen werde. Außerdem gebe in Berlin keine offene Drogenszene wie in Hamburg, Frankfurt oder Zürich. In Berlin habe man es vielmehr mit vielen kleinen Szenen zu tun. Der Bezirksbürgermeister von Tiergarten, Jörn Jensen (Bündnis 90/Die Grünen), empfiehlt Engler und Koller, sich mal im Ottopark am U-Bahnhof Turmstraße umzusehen.

Der Ottopark ist zu einem wichtigen Treffpunkt für Junkies und Dealer geworden, seit die Polizei in Schöneberg und am Breitscheidplatz in der City West konsequent gegen die Szene vorgeht. Jensen fordert, dass Druckräume schon allein wegen der Kinder eingerichtet werden müßten, die im Turmstraßen-Kiez ständig Gefahr liefen, in eine der vielen herumliegenden Spritzen zu fassen. Jensens Nachfolger, der angehende Bezirksbürgermeister des Großbezirks aus Tiergarten, Wedding und Mitte, Joachim Zeller (CDU), lehnt Druckräume hingegen kategorisch ab. PLUTONIA PLARRE

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