: Fliegende Zeitbombe
Concorde seit Jahren mit Pannen behaftet. Französischer Verkehrsminister lädt heute zum Luftsicherheitstreffen ein. Nächster Start noch diese Woche?
PARIS/WASHINGTON taz ■ Nach dem Absturz der Concorde bei Paris mehren sich die Hinweise auf Sicherheitsmängel bei dem Überschallflugzeug. Bereits vor rund 20 Jahren lösten geplatzte Reifen von Concorde-Flugzeugen nach einem Bericht der US-Verkehrssicherheitsbehörde (NTSB) mehrmals fast eine Katastrophe aus. Bild am Sonntag berichtete unter Berufung auf geheime Protokolle der amerikanischen Flugaufsichtsbehörde (FAA) von 40 schweren Pannen von November 1996 bis Juni 2000 mit der Concorde allein am New Yorker Kennedy-Flughafen.
Bei dem schwersten Zwischenfall wurden laut NTSB im Juni 1979 bei einem Start ein Triebwerk beschädigt, drei Treibstofftanks durchbohrt und ein großes Loch in eine Tragfläche gerissen. Das Flugzeug kehrte danach sicher zum Washingtoner Flughafen zurück. Weiterhin ist die Rede von Problemen mit dem Hydraulikdruck der Triebwerke, brennenden Triebwerken und Bremsen sowie kaputter Schubumkehr. Die BamS zitiert den Berliner Professor für Luftfahrtrecht, Elmar Giemulla, mit den Worten: „Die Concorde ist eine fliegende Zeitbombe, sie gehört aus dem Verkehr gezogen.“
Verkehrsminister Jean-Claude Gayssot berief für heute ein Treffen internationaler Luftverkehrsexperten ein. Sie sollen in Vorbereitung einer Wiederaufnahme der Concorde-Flüge zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erörtern. Gleichzeitig wurde gestern bekannt, dass noch diese Woche die erste Concorde wieder von Paris starten könnte.
Bei der Suche nach den Unglücksursachen der vergangenen Woche schließen die französischen Behörden nicht aus, dass ein geplatzter Reifen den Absturz der Concorde verursacht hat, bei dem 114 Menschen ums Leben kamen. Die Londoner Sunday Times schrieb, bei den sieben Concordes der British Airways seien seit 1988 rund zwölf Reifen geplatzt. Unter Berufung auf einen leitenden BA-Mitarbeiter hieß es, 1998 habe die britische Flugaufsichtsbehörde wegen Problemen an den Triebwerken gewarnt.
An Bord der Concorde befanden sich 109 Menschen, darunter 96 deutsche Urlauber. Das Überschallflugzeug stürzte am Dienstag wenige Minuten nach dem Start in Paris auf ein Hotel in der Gemeinde Gonesse; dort kamen laut der jüngsten Bilanz fünf Menschen ums Leben.Die Identität des erst am Freitag entdeckten 114. Opfers war zunächst nicht bekannt.
Rund 1.700 Menschen gedachten am Samstag bei einer Trauerfeier in Mönchengladbach der Opfer des Absturzes. Dort hatten 13 der Getöteten gelebt. Der Gottesdienst wurde in der völlig überfüllten Kirche von zwei Notfallseelsorgern zelebriert, die auch schon die Angehörigen betreut hatten.
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