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Schwere Niederlage für Peres

Bei der Wahl zum israelischen Präsidenten siegt völlig überraschend der Kandidat des oppositionellen Likud, Mosche Katzav. In Jerusalem kennt ihn kaum jemand, aber er ist religiös und konservativ. Seine Wahl ist auch eine Schlappe für die Regierung

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Entgegen aller Voraussagen bestätigte Israels Parlament, die Knesset, gestern ein ungeschriebens Gesetz: Schimon Peres gewinnt keine Wahl. So sicher ihm der Sieg bei der Präsidentschaftswahl schien – sein Gegner, der Likud-Politiker Mosche Katzav, war im zweiten Wahlgang doch mit sechs Stimmen stärker als er. Nur 57 der notwendigen 61 Voten erreichte der alternde Friedenspolitiker. Es sind die Stimmen der Koalition und der arabisch-israelischen Abgeordneten. Die insgesamt 22 Politiker der beiden orthodoxen Parteien Schas sowie der Judentum und Thora gingen komplett an den konservativen Katzav. Offenbar wiegt das Wort des ehemaligen Schas-Vorsitzenden Arye Deri, der zur Unterstützung von Peres aufgerufen hatte, in der eigenen Partei nicht mehr viel.

Katzav ist nicht zuletzt für sich selbst ein Überraschungssieger. „Es wird eine knappe Wahl“, meinte er skeptisch, kurz vor der Abstimmung. 1945 wurde Katzav in Iran geboren. Als Sechsjähriger emigrierte er nach Israel. Nach dem regulären Militärdienst engagierte er sich im national-konservativen Lager an der Hebräischen Universität in Jerusalem, wo er Wirtschaftswissenschaften und Geschichte studierte. Vorübergehend schrieb er als freiberuflicher Journalist für die Zeitung Yediot Achronot. 1969 wurde er 24-Jährig der jüngste israelische Bürgermeister in seinem Heimatort Kirjat Malachi. Seit 1977 ist er ununterbrochen Knesset-Abgeordneter. Einen Ministerposten hatte er zum ersten Mal innerhalb der Nationalen Einheitsregierung von 1984 bis 1988 inne, als der damalige Premierminister Jitzhak Schamir ihn zum Arbeits- und Sozialminister ernannte. Nachdem der Likud 1992 die Wahlen verloren hatte, scheiterte Katzav im Wettkampf um den Parteivorsitz gegen den späteren Premierminister Benjamin Netanjahu.

Mit dem jüdischen Segen „Baruch ata Adonai“ („Gesegnet sei der Herr“) begann Katzav gestern seine Dankesworte an den Parlamentsvorsitzenden und die Abgeordneten. Sein höchstes Ziel sei es, „das Volk zu einen“. Das sei der Auftrag, den die Abgeordneten ihm mit auf den Weg gegeben hätten. „Wir wollen eine ruhigere, ausgewogenere und eine vereintere Nation“, so Katzav. Aus dem Lager der Arbeitspartei wurde der Verdacht laut, dass Katzav nicht aufgrund seiner politischen Haltung gewählt worden sei, sondern seiner ethnischen Zugehörigkeit wegen. Dazu kommt, dass Katzav als traditionell-religiös eingestellt gilt, wohingegen Schimon Peres eher weltlich ist. Kurz nach der ersten Wahlrunde hatte Peres noch einmal versucht, Einfluss auf Rabbi Ovadia Jossef zu nehmen, dem geistigen Mentor der Schas. Der hielt jedoch an seiner Position fest, den Abgeordneten die Entscheidung selbst zu überlassen. Davon ausgehend, dass es keine Abtrünnigen in den Reihen der Koalitionsparteien gibt, haben die 17 orientalisch-orthodoxen Abgeordneten ihre Stimmen geschlossen an Katzav gegeben.

„Das Ergebnis ist ein Zeichen für die große Enttäuschung über die Politik von Ehud Barak“, kommentierte indes Oppositionsführer Ariel Scharon. Wenngleich die Abstimmung formal keinem Misstrauensvotum gleichkomme, so müsse sie doch als solches gewertet werden. „Das Volk ist Versprechungen satt“, sagte der Likud-Chef, und: „Es besteht der Bedarf nach Veränderung.“ Möglicherweise sei die Präsidentschaftswahl bereits ein erster Schritt in diese Richtung, meinte Scharon und stellte baldige Neuwahlen in Aussicht. Noch gestern Nachmittag beriet die Knesset über ein Misstrauensvotum der Opposition. Am Mittwoch wird zudem über einen erneuten Gesetzentwurf zur Auflösung des Parlaments entschieden werden.

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