: Roths rechnerische Rettung
„Arbeitsamt hat falsch gerechnet, das Geld ist da“: Sozialsenatorin bürgt mit 4,5 Millionen Mark für gestrichene ABM-Stellen ■ Von Sandra Wilsdorf
Noch mehr als die Aussicht von hohen Bergen genießt Karin Roth jene auf dankbare Gesichter. Deshalb hat die SPD-Sozialsenatorin ihren Wanderurlaub in den französischen Alpen abgebrochen und ist nach Hamburg geeilt, um das „Problem mit den ABM-Stellen nicht noch länger marodieren zu lassen“, sagt sie. Kaum einen Tag ist sie da, schon ist das Problem gelöst: Die Sozialbehörde (BAGS) übernimmt eine Bürgschaft in Höhe von 4,5 Millionen Mark und rettet damit die 200 ABM-Stellen, die das Arbeitsamt im Juli gestrichen hatte, übrigens „gegen den Willen von BAGS und eigenem Verwaltungsausschuss“. Und offenbar auch entgegen einer Absprache zwischen Senatorin und Arbeitsamtsdirektor.
„Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind nicht nur arbeitsmarktpolitisch sinnvoll, sondern sie sind auch gut für die Stadt“, sagt Roth. Schulkantinen, Frauen-Tischlerei, Anti-Gewalttraining – viel zu sinnvoll, um es aufs Spiel zu setzen. Deshalb haben Mitarbeiter der BAGS die Zahlen des Arbeitsamtes nachgerechnet und siehe da: „Die für ABM eingestellten Mittel müssten ausreichen.“ Mit anderen Worten: Das Arbeitsamt hat falsch gerechnet, es ist genügend Geld da.
Denn: „Arbeitsamt und BAGS verabreden die Zahl der ABM-Stellen, und bisher hat es zwischen Plan und Ist noch immer eine Differenz gegeben“, sagt Roth. Weil nicht jede Stelle sofort besetzt werde, weil geeignete Bewerber manchmal erst gesucht werden müssten, gebe es tatsächlich immer 10 bis 15 Prozent weniger Stellen als geplant. „Es gibt überhaupt keinen Grund, warum das in diesem Jahr anders sein sollte“, sagt Roth.
Im Gegenteil: Schon jetzt sei klar, dass nicht die angestrebten 2400, sondern maximal 2000 Stellen besetzt werden. Deshalb macht die Senatorin ein Angebot: „Da das Arbeitsamt sich nicht in der Lage sieht, ein haushaltspolitisches Risiko zu übernehmen – das unserer Ansicht nach gleich Null ist – übernehmen wir die zusätzliche Co-Finanzierung bis zu 4,5 Millionen Mark, falls wir mit den veranschlagten 67,5 Millionen Mark nicht auskommen.“ Das Geld kommt aus dem Arbeitsmarkt-Topf, „denn wir haben ja mit 2400 Stellen gerechnet und deshalb noch etwas über“, sagt Roth.
Das Arbeitsamt steht dumm, Karin Roth als Retterin da. Beim Arbeitsamt war gestern niemand zu erreichen, auch nicht von der Senatorin, weshalb zuerst die Presse von der Aktion der Senatorin erfuhr. Die wird nun wieder in den Urlaub fahren, nach Italien.
Derweil werden einige der ABM-Kräfte feststellen, dass die Rettung für sie keine ist. Denn ob die schon gekündigten Kräfte nun in ihre Jobs zurückkehren können, ist fraglich. Rein bürokratisch betrachtet sind sie jetzt erst seit wenigen Tagen oder Wochen arbeitslos, und damit haben sie keinen Anspruch mehr auf eine solche Maßnahme.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen