: Ausland bedroht Pfand
Die SchwedInnen sind Pfandweltmeister – doch die Quote der zurückgegebenen Flaschen und Dosen sinkt wegen illegal importierter Fälschungen. Mehrwegflaschen in Deutschland werden weniger
aus Stockholm REINHARD WOLF
Die gesetzlich festgelegte Mindestmehrwegquote bei Getränkeverpackungen in Deutschland ist 1999 weit unterschritten worden: Sie betrug laut Angaben des Großhandels vom Dienstag nur noch 68 Prozent statt der vorgegeben 72. Damit droht den Deutschen, was die Schweden längst haben: ein Zwangspfand auf Einwegverpackungen, sprich: Dosen.
Das ausgeklügelte schwedische Pfandsystem, in welchem jede Dose und Flasche registriert und mit einer Abgabe belegt ist, hinterlässt eine fast dosenfreie Natur und in jeder schwedischen Küche Sammelspuren. In den Städten ernährt es Obdachlose, die vom Papierkorbwühlen und Pfand leben, und in Schulen dient es zum Einstieg in den Umweltunterricht und zur Aufbesserung der Klassenkasse. Obwohl es umgerechnet pro Bier- oder Coladose gerade 50 Öre (12 Pfennig) Pfandgebühr gibt, also gerade ein Viertel des in Deutschland diskutierten Pfandes, landen seit Jahren neun von zehn Dosen in den Retourautomaten.
Genauer gesagt: Sie landeten bisher. Denn erstmals wurde jetzt die 90-Prozent-Grenze unterschritten. Laut der staatlichen Naturschutzbehörde sank 1999 der Anteil der zurückgebrachten Dosen auf 84 Prozent. Ursache für die sinkende Lust am Sammeln: Immer öfter müssen Sammelnde die Erfahrung machen, dass Dosen von den Retourautomaten nicht willig kleingequetscht, sondern wieder ausgespuckt werden. Pfandlos.
Was den Automaten derart aufstößt, sind importierte Dosen. Denn nur die schwedischen Dosen aus reinem Aluminium und mit dem richtigen Strichcode werden angenommen und resultieren in klingender Münze. Doch die Fremddosen werden unter der knappen Milliarde der in Schweden jährlich verkauften Dosen immer mehr, und den Unterschied kann man schlecht erkennen. Eine Lkw-Ladung mit in Polen abgefüllten Coca-Cola-Dosen am Zoll vorbei nach Schweden einzuführen, gibt einen satten Gewinn von rund 25.000 Mark. Das Getränk ist in Schweden viermal so teuer. Auf schwedischen Müllplätzen landen deswegen neben Bergen von ausländischen „wertlosen“ Dosen auch immer mehr einheimische.
Was das nationale Pfandsystem aber in seinen Grundfesten bedroht, sind nicht die fremden Dosen, sondern die wachsende Einfuhr von Mehrwegplastikflaschen. Genauer, die 1,5- und 2-Liter-PET-Flaschen für Cola, Limonade und Mineralwasser. Für diese gibt es eine knappe Mark Pfand, sie bestehen aus dem gleichen Material wie die schwedischen, und die Strichcodes sind leicht zu verfälschen, sodass auch technisch avancierte Automaten sie akzeptieren. Weshalb das Retourpfandunternehmen Svenska Returpack seit einiger Zeit mehr PET-Mehrwegflaschen zurückbekommt, als in Schweden produziert werden – und jedes Jahr einige Millionen Mark Verlust macht mit ausgezahltem Pfand, dem keine eingenommene Abgabe entspricht.
Das System wird derzeit finanziell über Wasser gehalten, weil die SchwedInnen bei einem Retourpfandprodukt bislang wenig Sammelfreude zeigen. Trotzdem es für die „weichen“ Einweg-PET-Flaschen von 0,3 bis 1 Liter rund 23 Pfennig Pfand gibt, also doppelt so viel wie für Dosen, liegt die Rücklaufrate nur bei gerade 50 Prozent. Warum die SchwedInnen diese Flaschen nicht sammeln, darüber rätseln die Experten, und es ärgert die Getränkebranche. Die konnte unter Hinweis auf das Pfandsystem in den letzten Jahren nämlich immer mehr Mehrwegglasflaschen durch die leichteren und transportfreundlicheren PET-Flaschen ersetzen, ohne sich als Umweltsünder outen lassen zu müssen. So ist Schwedens blühendes Pfandsystem knapp vor dem endgültigen Ende der Mehrwegglasflasche in eine deutliche – allerdings auch dem Alleingang geschuldete – Krise geraten. Was jedenfalls die Umweltbewegung ermutigt hat, sich wieder für das einzig wirklich umweltfreundliche Retourpfandsystem mit Mehrwegglasflaschen einzusetzen und für ein Verkaufsverbot von Blechdosen. Denn eines hat das Pfandsystem auch bei den Dosen nicht geschafft: Die energie- und rohstoffintensive Produktion derselben zu reduzieren, weil die Herstellung der Dosen trotz Abgaben immer noch billiger ist, als Glasflaschen herzustellen.
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