Beiß in den saftigen Pfirsich

Soundterror, Schmuddelpunk, glamouröser R & B mit elektronischen Verstörungsmomenten: Die aus Kanada stammende, frisch gebackene Neuberlinerin Peaches singt gerne explizit über sexy Sex
von ANDREAS HARTMANN

Schon seit einiger Zeit läuft ihre Plattenfirma heiß und kündigt Peaches ohne Unterlass entweder als Lady oder Diva an. Wenn man ihr dann aber so gegenübersitzt im „Hackbarths“ in Mitte, das sie ihr Zuhause und Office nennt, weil die ganz frisch gebackene Neuberlinerin hier noch gar keine Wohnung hat, will die recht zierliche Frau mit ihren Wuschelhaaren jedoch kaum etwas Divenmäßiges verströmen.

Gut, wenn man sie auf ihre Musik anspricht, macht sie schon deutlich, dass es sich hier gefälligst um den heißesten Scheiß seit ungefähr James Brown handelt. Mit ihrer Arbeit ist sie voll im Reinen, und da liegt sie auch gar nicht so falsch mit ihrer Selbsteinschätzung: Ihr Album „The Teaches Of Peaches“ bietet tatsächlich einen bisher noch nicht gehörten, welterschütternd guten Bastard aus Soundterror, Schmuddelpunk, glamourösem R & B und elektronischen Verstörungsmomenten.

Peaches ist der zweite ungewöhnliche Act, den die mit Gonzales eingeleitete Berlin-Kanada-Connection hervorgebracht hat. Gonzales und Peaches kennen sich schon lange, bilden die nie wirklich aufgelöste Band Feedom, die laut Peaches „ein wenig wie die Stooges klingt, nur stoische Rock-Riffs verwendet und sich an einer Art Heavy-Metal-House abarbeitet“.

Gemeinsam sind sie damals in der Welt herumgezogen. „Gonzales suchte einen Platz zum Leben, ich wollte einfach nur reisen. Wir sind in irgendwelchen Clubs mit absolutem Minimalequipment aufgetreten und so über die Runden gekommen. Gonzales bearbeitete einen CD-Player, und ich spielte dazu auf einer Groove-Box. Vor zwei Jahren haben wir dann in der Galerie berlintokyo gespielt, wo wir viele der für uns heute wichtigen Leute kennengelernt haben und von unserem aktuellen Label sozusagen entdeckt worden sind.“

Warum überhaupt raus aus Kanada? Bei Gonzales war es die Superpower, die er hier in Berlin stärker als zu Hause in seiner fellbesetzten Brust brodeln fühlte. Peaches führt dagegen die ungleich schlechteren Entfaltungsmöglichkeiten an. „In Kanada lief eigentlich alles super für mich. Die Presse hat mich abgefeiert, und es gab genug Leute, die meine Musik zu schätzen wussten. Doch wir haben ein großes Problem in Kanada. Es gibt dort unheimlich viele total kreative Leute im Underground, aber einfach nicht genug, die das Geld haben, um zu den Shows zu kommen oder Platten zu kaufen.“

Berlin passte da dann ganz gut, und Peaches passt wiederum gut nach Berlin, denn ihr Trash-Glamour fügt sich nur allzu gut in die Neue Berliner Schule. Von Stereo Total bis hin zu Alec Empires Digitalpunk-Bewegung wird hier do it yourself!, egal wie, Hauptsache do it!, groß geschrieben. Peaches beschreibt das so: „Ich habe meinen Rapstyle nicht beim Hören von Missy Elliott entwickelt. Ich habe alles von meinen Freunden gelernt. Wir haben uns gegenseitig erzogen. Ich spiele Drums, Gitarre, Bass. Alles nicht besonders gut, aber es langt.“ Für ihre aktuelle Musik braucht sie jedoch kaum klassische Instrumente. Die meisten Beat- und Geräuschteppiche flickt sie lediglich mit ein paar billigen Maschinen zusammen. Peaches singt gerne explizit über Sex. Lil’ Kim und Liz Phair lassen grüßen. „There`s only one peach with the hole in the middle.“ Aber warum auch nicht. Peaches: „Bei eigentlich allen Rappern geht es um Sex. Oder hör dir die Backstreet Boys und Britney Spears an. Oder Black Flag: ,You slip it in`, das ist wirklich explizit.“ Auch auf ihren Konzerten will sie Sex transportieren. „Die meisten elektronischen Live-Sets sind so unglaublich unsexy. Vielleicht hat der Typ auf der Bühne gerade Sex mit seinen Maschinen, aber sonst kommt da meist nicht viel rüber.“

Das kann man von ihren Konzerten nun überhaupt nicht sagen, und wer dann immer noch nicht genug hat, kann sich zusätzlich auf Pfirsichdesserts freuen. Die werden, ganz ohne Scheiß!, bei manchen ihrer Gigs gereicht und sind richtig lecker.

Peaches: „The Teaches Of Peaches“ (Kitty Yo/EFA)

Hinweis:Elektronische Live-Sets sind so unglaublich unsexy. Vielleicht hat der Typ ja Sex mit seinen Maschinen