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Was nun, Waldorf? Der Dialog beginnt„Privater Geheimdienst“ bestätigt

betr.: „Einschüchterung auf Waldorf-Art“, taz vom 4. 8. 00

Leserbriefe und Anzeigen sollte man nicht mit redaktionellen Artikeln verwechseln, auch wenn der Name der Zeitung stets in der Kopfzeile steht. Entsprechend sollte man auch nicht Inhalte einer Homepage mit Links zu anderen Seiten verwechseln, selbst wenn mit „Frames“ sich der Name der URL Zeile manchmal nicht verändert.

Auf der Homepage seiner Firma http://www.fmp-entertainments.de/aktion ruft Raphael Fellmer, Schüler der Rudolf Steiner Schule Berlin, seit einigen Monaten zum Protest gegen die „Report“-Sendung von Ende Februar auf. Der Schüler hatte sich in einer Sponti-Aktion mit anderen Schülern zusammengetan und unter anderem diese Seite eigenständig produziert. Auf diesen Aufruf, den der Schüler mit seinem persönlichen Copyright versah, gibt es lediglich einen Link bei www.waldorf.net, auf das wiederum ein Link von www.waldorfschule.de besteht. Weder von den Seiten des Bundes noch beim waldorf.net wurde je zum Protest aufgerufen, entgegen der Behauptung von Arno Frank in der taz.

Die Existenz eines „privaten Geheimdienstes“ kann ich indes bestätigen. Einen Dossier über Arno Frank habe ich gerade angelegt, indem ich seinen taz-Artikel abgehefet habe. Auch führte ich gestern konspirative Telefongespräche mit anderen Kadern der Anthro-Szene und werde nicht ausschließen, in 20 Jahren aus seinem Artikel zu zitieren, um ihn als unseriös zu diskreditieren. Sind sie nicht schlimm, die Andersdenkenden? DETLEF HARDORP,

Bildungspolitischer Sprecher der Waldorfschulen in Berlin

Brandenburg

Journalisten sind schon ein Völkchen. Andern welche vors Bein knallen und dann aufschreien, wenn die Betroffenen Faxe schreiben. Zeitung und Glotze dürfen alles behaupten; aber wenn sich die Betroffenen wehren wollen, das weiß jeder, der schon mal eine Gegendarstellung versucht, wird gemauert. Und was ist da so Verwerfliches dran, wenn eine Organisation ihre Mitglieder aufforderte sich zu wehren? Will die taz auf einmal demokratisch legitime Mittel herabsetzen?

Meine Kinder haben die Waldorfschule Ludwigsburg besucht. Kritikwürdiges gab‘s auch, natürlich; aber von Rassismus war wirklich nichts zu spüren. [. . .]

HARTMUT BERNECKER , Bietigheim-Bissingen

[. . .] Ich sehe in Steiners Gedankengebäude zwei Aspekte, die Rassismus für Anthroposophen eigentlich unmöglich machen müssten. Erstens: Jede Menschenseele gehe im Laufe ihrer Verkörperungen durch alle Rassen hindurch. Zweitens: So wie die Rassenunterschiede einmal entstanden und vorher nicht da gewesen seien, so werden sie einst wieder verschwinden. Beide Aspekte gelten übrigens genauso für die Geschlechter-Unterschiede. [. . .]Und das Entscheidende: Die anthroposophische Bewegung „bereitet auf geistigem Gebiet vor, was später auf dem physischen Plan geschehen wird: die Wiedervereinigung der Geschlechter.“ (Steiner-Zitat). Dasselbe soll auch für die Rassenfrage gelten (dazu habe ich leider kein Zitat zur Hand).

Es lohnt sich, zwischen Lehre und Vertretern zu unterscheiden: Anthroposophie gibt viele Ideen und Anregungen zur Überwindung von Rassismus und Geschlechterdiskriminierung, aber manche „Anthroposophen“ haben die gar nicht verstanden. Diese Ideen leben zum Beispiel in der anthroposophischen Heilpädagogik: Dort wird jeder noch so behinderte, noch so „seelenpflegebedürftige“ Mensch prinzipiell als gleichberechtigt und gleichwertig angesehen. In anderen Lebensgebieten müsste eine solche Haltung offenbar erst noch entwickelt werden.

Vielleicht können Anthroposophen aus genau diesen Gründen keine Kritik ertragen: Die Anthroposophie ist ein so starkes Über-Ich, dass viele sich immerzu einreden, sie seien schon so gut und rein, wie sie es sein möchten oder sein zu müssen meinen. Mit dieser Einstellung muss man sich immerzu verteidigen. Aber man kann hohe Ideale doch auch als Kraftquelle nutzen: Nur der Mut zum Träumen gibt die Kraft zum Kämpfen – nicht gegen den Rest der Welt, sondern für eine bessere Welt! [. . .]

CHRISTOPH KRANICH , Hamburg

Da ich vom eigenen Erleben her über Anthroposphen eigentlich keine negative Meinung hatte, wundert es mich sehr, wie diese Leute und die Waldorf-Schulen mit den Rassismus-Vorwürfen von „Report“ umgehen. Sachlicher Umgang mit den Steiner-Äußerungen wäre ehrlicher. So, wie die Waldorf-Experten auf Kritik reagieren, wie der Anthroposoph Stefan Leber Journalisten pauschal diffamiert, ist die geistige Nähe zu Scientology u. a. totalitären Organisationen durchaus gegeben; leider, zu meiner persönlichen Enttäuschung!

Gelobt sei die Pressefreiheit, gelobt sei auch die taz; auch solche sachlich schwierigen Themen bedürfen einer freien Berichterstattung. HORST GRZYWACZEWSKI, Iserlohn

Besteht für Waldorfschulen eigentlich ein rechtsfreier Raum? Kann es sein, dass ein Buch, das 1936 geschrieben worden ist, wieder und wieder aufgelegt wird und heute erst auf Grund der „Report“-Sendung auf den Index für jugendgefährdende Schriften gesetzt wird? [. . .] Dabei kann es jeder wissen, der es wissen will: Die Waldorfschulen beruhen auf der Ideologie eines einzigen Mannes. Diese Ideologie ist in weiten Teilen rassistisch und kulturimperialistisch.

Wer darauf hinweist, wird mit Klagen überzogen. Die ansonsten chronisch finanzschwachen Waldorfschulen haben sofort jede Menge Mittel, wenn es darum geht, unliebsame Kritiker mundtot zu machen. Das heißt, die öffentliche Hand finanziert diese Schulart, damit die Waldorfs schalten und walten können, wie es ihnen beliebt. [. . .] REINHARD KARST, Bruchsal

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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